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Brief (Transkript)

Helmut Schneiss an seine Eltern am 14.02.1944 (3.2002.7595)

 

Bielefeld, den 14. 2. 44



Liebe Eltern!

Ich bin noch ganz benommen von der Narkose, aus der ich eben erwachte. Ich fühle mich noch wie ein Betrunkener. Euren lieben Brief vom 12. habe ich erhalten und mich sehr darüber gefreut. Herzl. Dank dafür. Gerade hatte ich die Post von Euch und Irmg. gelesen, als ein Wagen hereingefahren wurde auf den ich mich legen mußte, um zum Operationssaal gefahren zu werden.
Es war gegen 11 Uhr. Als ich dort ankam, warteten schon der Chefarzt und viele Schwestern und Helfer auf mich. Es ging dann alles sehr schnell. Ich mußte mein Hemd ausziehen und lag ganz nackt da. Dann gab mir eine Schwester eine Spritze in den linken arm und ich schlief sofort ein. Vorher wurde ich noch gefragt, ob ich ein falsches Gebiss hätte. Von da ab weiß ich nichts mehr. Dann wachte ich in meinem Bett um 15 Uhr auf. Nun wird mein Hals wohl aufgeschnitten sein.
Nun zu Eurem lieben Brief. zunächst will ich Euch sagen daß ich mich unaussprechlich darüber gefreut habe. Wenn man hier liegt, sehnt man sich kolossal nach Post und ich bitte Dich, lieber Vater, mir recht oft zu schreiben. Ich werde Euch auch so oft wie möglich Post zukommen lassen.
Über den Ausbilder-Lehrgang kann ich Euch ja nun nichts mehr mitteilen. Ich weiß nun nicht ob man mich gestrichen hat oder ob ich noch weiter geführt werde. Es ist mir auch augenblicklich egal, wenn ich nur erst wieder gesund bin.
Irmg. Erläuterungen über Phlegmone u. Furunkulose habe ich auch erhalten und eingehend durchgelesen.
Mutter Friese ist ja nun auch krank. Sie hat Nervenentzündung und ein geschwollenes Gesicht.
Das Paket von Luise enthielt: 1 Tüte Plätzchen, 1 Kuchen, Lebkuchen u. Äpfel. Der Kuchen war ganz wunderbar, noch Friedensware. Leider habe ich den größten Teil verschenken müssen, da ich keinen Appetit hatte und ins Laz. mußte und das Paket nicht mehr mitnehmen konnte. Auch einen Teil der Äpfel habe ich den Kameraden gegeben. Euer Päckchen habe ich nach hier genommen. Den Kuchen habe ich heute angeschnitten. Auch er schmeckt tadellos. Nochmals meinen herzl. Dank dafür.Unaussprechlich würde ich mich freuen, wenn Du, lieber Vater, mich mal hier besuchen würdest und plötzlich ins Zimmer treten würdest. Gestern (Sonntag) habe ich mich sehr einsam gefühlt, denn die anderen hatten Besuch. Ich kann von 3 – 5 Uhr Besuch empfangen. Irmg. will auch kommen. Nun will ich noch mitteilen, wie Du nach Bethel Haus Gilead kommst. Wenn Du aus dem Bahnhof kommst, mußt Du gegenüber in die Linie 1 in Richtung Brackwede einsteigen und dann bis zur Bethelecke fahren. Dann den Berg zu Fuß hinauf und immer links halten, siehe Zeichnung: Schön wäre es, wenn Mutter auch mitkommen könnte, aber sie wird wohl nicht abkommen können. Ich liege in der 1. Etage Zimmer 35a.
In diesem Sinne für heute wieder herzliche Grüße in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.
Übrigens darf ich auf dem Zimmer rauchen, lieber Vater. Es wäre schön, wenn ich Dir zu Deinem Geburtstag, den ich noch nicht vergessen habe, persönlich gratulieren könnte, wenn auch in Bielefeld.
Viele Grüße Euer Helmut

 

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