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Brief (Transkript)

Eltern an Helmut Schneiss am 18.09.1943 (3.2002.7595)

 

Essen, den 18.9.43.



Lieber Helmut!

Für Deinen lieben ausführlichen Brief vom 13./14. 9., welcher uns gestern erreichte, herzlichsten Dank. Wie Dir und all unseren Lieben, so geht es auch uns noch gut.
Der Hauptinhalt Deines Briefes hat uns peinlichst überrascht. Sofort nach Eingang dieser wenig angenehmen Zeilen begab ich mich mit einem Zettel bewaffnet zu Deinem Schwiegervater und warf diesen Zettel, dessen Inhalt in einer dringenden Einladung zu uns bestand, in den Hausbriefkasten. Der Schw.V. kam auch gestern abend zu uns. Er war höchst gespannt, was sich eigentl. in Altfunnixsiel zugetragen haben sollte.
Ich übergab ihm Deinen Brief, welchen er während des Abendessens mit großer Spannung las.
Der Schwiegervater schüttelte den Kopf und war zunächst ganz sprachlos. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es eigentlich gekommen ist, daß so jäh und plötzlich Brauer’s Gastfreundschaft sich in Gehäßigkeit verwandeln konnte. Nach unserer Meinung muß doch ein triftiger Grund den Anlaß zu einer derartigen verwerflichen Einstellung gegeben haben. Dieses wollen wir aber jetzt hier nicht untersuchen. Zunächst tut es uns sehr leid, daß Du, l. Helmut, den längeren Teil Deines Urlaubs unter solchen unerquicklichen Umständen dort verbringen mußt, Deine Zeilen v. 14/9. erscheinen allerdings wieder ermutigend. Letztere bringen Deinen Schwiegervater u. auch uns zu der Annahme, daß inzwischen eine gewiße Harmonie wieder eingekehrt sein dürfte.
Aus dieser Annahme heraus machen wir gemeinsam daher folgenden Vorschlag: Nach Möglichkeit stellt Euch zunächst Familie Brauer gegenüber so ein, daß Ihr noch dort bleiben könnt. Der Schw.V. und auch mir empfehlen Euch, unserem Verantwortungsgefühl entsprechend, nicht nach Essen zurückzukommen, weil die Gefahr hier noch immer groß ist. Vor allen Dingen ist es neben der Gefahr für Irmgard und Hannelore keine Kleinigkeit, Nachts stets den L.-Keller aufzusuchen. Dies alles geht auf Kosten der Nerven und Gesundheit von Mutter und Kind.
Der Schw.V. will möglichst bald an seinen Schwager Gerhard Brauer einen Brief richten und versuchen, die frühere Harmonie wieder herzustellen bezw. einen für alle Teile gangbaren Weg zu finden. Er erwartet auch noch einen Brief von der Schwiegermutter um dann entsprechend antworten zu können.
Das ist nun unsere Stellungnahme zu den unerquicklichen Vorkommnissen. Wir wollen, wie gesagt, noch immer hoffen, daß eine Bereinigung der Angelegenheit mittlerweile Platz gegriffen hat. Solltest Du, l. Helmut, Dich trotzdem während Deines Urlaubsrestes nicht wohl fühlen, so bist Du auch bei uns wieder jederzeit herzl. willkommen. Natürlich gehörst Du in erster Linie Deiner Familie.
Die F.Raucherkarte ist noch immer nicht zurückgekommen. Das hatte zur Folge, daß ich auch hier die Zusatzkarte für Mutter leider nicht erhalte, weil ich eben Mutters R.K. nicht vorlegen kann.
Schreibe Du doch bitte einmal an St.Ob. Menke, vielleicht kann er etwas in der Angelegenheit unternehmen. Ich sehe zunächst keinen gangbaren Weg, wieder in den Besitz der R.K. zu kommen, von den 20 Zigaretten nicht zu reden.
Über die heldenhafte Befreiung des Duce habe ich Dir in einem letzten Brief unsere grenzenlose Freude ausgedrückt. Ja, das waren ganze Kerle und immer wieder Deutsche. Chur + Rose warten vielleicht noch immer in Amerika, aber ihr „Medium“ kommt nicht. Wer lacht da?
Alarme hat es in letzter Zeit hier nicht soviel gegeben. Vielleicht wieder mal die Ruhe vor dem Sturm, wir wollen es nicht hoffen.
Das Wetter ist hier trübe, aber noch immer warm. Jetzt haben wir den Schreiner im Haus, er macht uns alles wieder in Ordnung. Die übrigen Handwerker wollen auch in den nächsten Tagen kommen und alles wieder instandsetzen.
Daß Kl. Hannelore gut im Wachstum usw. sich entwickelt, freut uns ganz besonders. Die reine Luft dort ist auch Balsam für das kleine, liebe Wesen. Nun Dir, lieber Helmut, Irmgard, kl. Hannelore + Mutter herzlichste Grüße Dein Vater
Herzl. Gruß Mutter.

 

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