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Brief (Transkript)

Eltern an Helmut Schneiss am 30.05.1943 (3.2002.7595)

 

Essen, den 30.5.43.



Lieber Helmut!

Zunächst wieder unseren allerherzlichsten Dank für Deine lieben Briefe v. 24. u. 25.5. Dass es Dir nebst Irmgard noch gut geht, freut uns sehr. Auch wir sind gottlob noch immer gesund. Heute nehme ich mal wieder die Schreibmaschine, weil mir nicht genügend Zeit zum Handschreiben zur Verfügung steht. Ich muss nämlich ausser diesem Breife noch einige andere schreiben und mit der Maschine geht es doch schneller.
Lieber Helmut, ganz besonders danken wir Dir für Deinen Schreibfleiss und nicht weniger danken wir Dir für Deine ganz objektiven Schilderungen. Du führst uns im Geiste so ganz in Deine und Irmgards Tageserlebnisse ein. Man hat so das Gefühl, als würden wir Euch auf Eueren Spaziergängen in Winsen. Das ist sehr schön so.
Der Brief (ausführlich) nach Irmg. Ankunft dort hat uns leider nicht erreicht. Das ist schade.
Zu Deinem voraussichtlichen 30tägigen Heimaturlaub können wir Dich, l. H., nur beglückwünschen. Hoffentlich kommt nichts Unangenehmes dazwischen. In diesem Zusammenhange denke ich an das Schweigen Deines Stabsarztes, welcher Dir auf die Mitteilung von dem Untersuchungsergebnis nicht antwortete. Wir wollen aber nicht schwarz sehen und mit Deinem 30tägigen Url. auch weiterhin rechnen.
Ihr habt ja dort eine gebefreudige und nette Kostwirtin getroffen. Sowas lässt man sich gefallen. Wenn Irmg. mit Dir nur noch recht lange den Fisch allein bewältigt hat. Wenn man einen solchen Appetitt hat, dann ist auch die erforderliche Gesundheit vorhanden, nicht wahr?
Ja, Ihr werdet dort ganz verwöhnt und merkt in Punkto Verpflegung gar nichts vom Krieg.
Der Stabsarzt ist ja ein Prachtkerl, dieses kommt aber wohl daher, weil er mit deinen Leistungen voll zufrieden sein muss. Wir wollen beide Daumen drücken, dass Dir der Anblick Deines Kindes noch vergönnt sein möge. selbstverständlich unmittelbar nach der Entbindung
Das Päckchen enth. 1 P. Taback und einige Bombons und 2 schwarze Zigarren ist von uns nach Eingang Deines Br. sofort zur Absendung gelangt. Lass’ Dir alles recht gut schmecken.
Die Erlangung eines Kinderwagens für den kleinen Erdenbürger ist schon zu einem Proplem geworden. Hoffentlich gelingt es noch 5 Minuten vor 12 Uhr, enen K. zu bekommen.
Es ist schön, lieber Helmut, dass Du noch Munition bei dem Waffenhändler erstanden hast.
Die 3 erwähnten abgeschossenen Maschinen haben wir leider nicht gesehen. Vergangene Nacht hatten wir wieder einmal beinahe 3 Stunden A.
Essen wurde dieses Mal zum Glück verschont. Soeben hören wir im W.-bericht, das der Tommy in der verflossenen Nacht Wuppertal auf- und heimgesucht hat. Wir hier in Essen brauchen auch eigentlich gar keine Grossangriffe mehr, denn was hier noch an Wohngebäuden steht, ist nicht mehr all’ zu viel. In deisem Zusammenhang möchte ich auf den letzten und 5. Grossangriff, welchen die Bevölkerung der Stadt Essen zu erleiden hatte, ganz kurz eingehen. Dieser Angriff (Grossangriff) spielte sich in der Nacht von Freitag zu Sonnabend ab. Die Stadt war wieder einmal taghell von den Brandbomben die herniederbrasselten. Altenessen, Stoppenberg uam. Wir in unserem Bezirk haben einmal wieder Dusel gehabt. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und ging durch die Heinrich Ungerstrasse (frühere Segerothstrasse) Was ich da meinen Augen leider bot, war fürchterlich und lässt sich einfach nicht beschreiben. Die Wohngebäude, welche vor diesem Angriff noch stehen geblieben waren, sind dieses Mal ebenfalls ein Raub der Flammen usw. geworden. Ich ging bis zu Bamlerstrasse 33, um mich nach dem Hause Tante Anna’s umzusehen. Das Haus steht wohl noch soeben, aber alles ist durcheinander gewürfelt und Tante Anna’s Möbel usw, haben schwer gelitten. Das Dach fehlt selbst selbstverständlich, sodass den Witterungseinflüssen Tür und Tor geöffnet ist und die noch vorhandenen Möbel und sonstigen Sachwerte ihrer Vernichtung totsicher entgegengehen. In Altenessen sieht es besonders schlimm aus. Vom Bahnhof, welcher auch kaputt ist, bis zum Karsplatz soll so ziemlich alles ein Trümmerhaufen sein. Alfred Brandt’s Eltern wohnten in Altenessen aif dem Laubenhof und sind vollkommen ausgebrannt. Die Eltern sind nunmehr bei Alfred.
Das habe ich nun in kurzen Umrissen geschildert, so gut es eben ging, wie gesagt, man muss diese Verwüstungen selbst gesehen haben.
Von Heinz erhielten wir heute auch wieder einen Kartenbrief, es geht ihm noch gut. Er hat verschiedene kleine Wünsche geäussert, die ich ihm erfüllen werde. Heinz hat auch von Dir einen Brief erhalten. Darin schreibst Du noch, dass Du wahrscheinlich nach Deutschland kommen wirst.
Heute nachm. gehen wir zu Tante Herta, von welcher wir eingeladen worden sind. Tante Herta hat es jetzt insofern besser, als sie vorläufig nicht mehr zu arbeiten braucht.
Gustav und Meta reisten gestern nach Weinsheim ab, daselbst gedenken sie bis Dienstag zu bleiben und dann wollen die Leutchen ihre Reise nach dem Allgäu ausdehnen. Beide wollen Vaters Geburtsstätte Nesselwang aufsuchen und dann noch zur Kreisstadt Kempen fahren, um daselbst die hier verheiratete Tochter ihres Onkel zu besuchen. Das Papier ost zu Ende. Recht herzliche Grüsse, auch an Irmgard.
Euer Vater

 

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