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Brief (Transkript)

Eltern an Helmut Schneiss am 03.04.1943 (3.2002.7595)

 

Essen, den 3.4.43.



Lieber Helmut!

Nachdem wir Deinen lieben Brief vom 8.3. noch nicht lange erhalten hatten, erreichte uns Dein lieber Brief vom 22.3., welcher ungefähr nur 8 Tage unterwegs war. Recht herzlichen Dank für Deine lieben, ganz ausführlichen Zeilen. Obwohl wir uns grosse Sorgen um Dein Befinden machen, sind wir doch wieder einigermassen beruhigt, weil Du nun wieder in einem schönen Bett liegen und Dich ausruhen kannst. Ausserdem schreibst Du auch ganz zuversichtlich, dass es Dir gut geht. Dein Zustand scheint also doch zufriedenstellend zu sein, denn Du schreibst, es geht Dir gut. Ja, lieber Sohn, die Strapatzen bei der Infanterie sind doch ziemlich gross, was ich aus eignern Erfahrung selbst sagen kann. Die „Sandhasen“, so nannte man wenigstens zu meiner Zeit die Infanterie, müssen sehr viel laufen und marschieren, das merkt man erst, wenn man dieses alles selbst mitgemacht hat. Wenn man liest, welche Märsche und Strapatzen ihr in R. durch habt machen müssen, dann braucht man sich nicht mehr zu wundern, wenn mal einer krank wirs. Dass man die Stiefel, wenn sie durchnässt sind, nicht ausziehen kann, habe ich ebenfalls sehr oft selbst erleben müssen. Das sind die Leidensstunden eines Infanteristen. na, die Infanterie ist ja auch die Krone aller Waffen, so war es früher und heute hat diese Bild sich auch noch nicht geändert.
Nun kurz zur „Mauser“. Ich habe mich sehr gefreut, lieber Sohn, dass Dich mein Brief nebst der Bescheinigung doch noch erreicht haben. Die Bescheinigung hatte ich ja 2mal gefertigt und Dir zugesandt, nun ist sie wenigstens 1mal angekommen und das genügt ja auch, nicht wahr? Die Hauptsache ist, dass Du die Pistole nun stolz an Deiner Seite tragen darfst, ich bin mit Dir stolz, am allermeisten deswegen, weil die gute Mauser auch Deinen Vater im 1. Weltkrieg treu und brav begleitet hat. Mögest Du auch mein lieber Sohn, mit der Pistole an Deiner Seite gesund an die liebe Heimat und damit all’ Deine lieben Menschen wiedersehen. Auch die „rote Meute“ vor dem Hauptbahnhof in Leipzig vermochte mir die Pistole nicht abzunehmen.
Von Heinz haben wir soeben einen an ihn gerichteten Brief zurückbekommen mit dem Vermerk: „Neue Anschrift abwarten!“ Was soll man nun aus diesem Vermerk schliessen? Ist Heinz etwa verwundet und hat er in einem Lazarett Aufnahme gefunden? Wir wissen es nicht und müssen nun warten, bis er wieder schreibt, sobald dies geschehen ist, werde ich Dich sofort von der Veränderung in Kenntnis setzen, damit Du mit Heinz die Verbindung wieder aufnehmen kannst. Solltest Du länger im Lazarett bleiben, dann hast Du ha Zeit zum Schreiben, nicht wahr?
Deine Briefe erhalten wir ja nun früher als sonst, aber umgekehrt wirst Du nun länger auf Post warten müssen, an sich sehr bedauerlich. Nach Erhalt Deines Br. habe ich sofort Irmgard in ihrem Dienstzimmer im Kriegsschädenamt aufgesucht, weil ich ja nicht genau wusste, ob auch sie einen Br. von Dir erhalten hatte, dieser hätte ja einmal unterwegs gewesen sein können. Ich wollte I. doch dass Neueste von Dir mitteilen. Na’ kurz, I. hatte auch einen Br. von Dir beide Briefe aus. Beide waren wir dann auch wieder zufrieden, wussten wir ja, es geht Dir noch verhältnismässig wiedergut.
Lieber Helmut! Die beiden grösseren Luftangr. über unserer Stadt habe ich Dir in einem längeren Briefe ziemlich erschöpfend geschildert. Ich möchte mir daher in diesem Briefe Einzelheiten ersparen. Ich kann Dir nur ergänzend mitteilen, dass viele Sachschäden wieder behoben sind. Die Wehrmacht, der RAD, viele auswärtige Organisationen waren hier eingesetzt und haben die hauptsächlichsten Übelstände beseitigt. Wir sind noch alle gesund, das ist zunächst die Hauptsache, die Sachschäden sind, so gross diese auch sein mögen, immer zu beheben, davor machen wir Deutsche uns nicht bange. Was uns nicht umwirft, macht uns immer noch stärker. Für Dich dürfte noch vom besonderem Interesse sein, dass die Deutsche Bank sei den Grossangriffen einen sogenannten Untermieter bekommen hat und zwar ist das Finanzamt Essen – Nord noch eingezogen, denn der Tommy hat das Gebäude des Letzteren in einen Schutthaufen verwandelt, wie auch noch andere öffentlichen Gebäude und Einrichtungen u.a.m.
Die Handwerker sind nun bereits geraume Zeit mit der Beseitigung der Fliegerschäden in unserem Hause beschäftigt. Wir kommen aus dem Dreck fast nicht mehr heraus. Der Bau unseres gassicheren Luftsch.-Kellers ist seit einiger Zeit auch in vollem Gange. Man kann sagen, wenn dieser Keller fertiggestellt ist, haben wir einen ziemlich siheren Schutz, dann brauchen wir bei Fliegerangriffen nicht mehr unser Haus zu verlassen, unser Keller liegt im Gegenteil der Keller in den Neubauten ganz unter der Erde und hat auch sehr dicke Aussenwände, jedenfalls splittersicher ist er ganz gewiss. Was in Punkto Sicherheit geschehen kann mit menschlicher Hand, geschieht jetzt und das dient uns zur Beruhigung. Die Keller derjenigen Häuser, welche den letzten Terrorangriff der Briten zum Opfer fielen, haben meistens dem Druck und der Belastung nicht standgehalten und die schutzsuchenden Menschen waren zumeist noch am Leben.
Das wären also die Hauptneuigkeiten für heute, lieber Helmut. Der April hat sehr rau, regnerisch und windig seinen Einzug gehalten. Im Garten habe ich schon recht fleissig gewirkt. Die Kartoffeln und auch einige Sämereien sind in der Erde, nun kann alles wachsen und gedeihen. Wie ich Dir bereits mitteilte, ist Mutter nun über 14 Tage wider zurück und hat sich wider gut eingelebt.
Nun wünschen wir Dir, lieber Sohn, recht gute Besserung und baldige volle Genesung. Schön wäre es, wenn Du wieder nach Deiner Gesundg. Genesungsurlaub bekommen könntest, aber das wird wohl nichts werden, weil Du zweit von Deiner Heimat entfernt bist. Na’ dann tröste Dich für später, dann wird alles wieder nachgeholt, nicht wahr?
So sei denn für heute recht herzlich gegrüsst, lieber Helmut, von
Deinem Vater.
Recht herzl. Grüße und gute Besserung von
Deiner Mutter.

 

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