Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Eltern an Helmut Schneiss am 22.11.1942 (3.2002.7595)

 

Essen, den 22.11.42.



Lieber Helmut!
Dein lieber Brief vom 16.11. flatterte uns heute am Sonntag Vormittag ins Haus. Hab' recht herzlichen Dank für Deine lieben Grüsse, welche wir hiermit ebenso herzlich erwidern.
Wir freuen uns, dass es Dir wieder gut geht und ganz besonders ist es für uns wieder eine Entlastung au lesen, dass Deine Zähne wieder so ziemlich in Ordnung sind. Wir meinen aber, es könnt trotzdem nicht schaden, wenn Du. noch einen Zahnarzt zu Rate zögst und Deine Zähne einmal gründlich nachsehen liessest, was meinst Du hierzu?
Hinsichtlich Deiner gewissen Sehnsucht noch Südfrankreich habe ich Dir, wenn ich nicht irre, in meinem letzten Briefe mitgeteilt, dass die Soldaten dort absolut nichts kaufen können. Ein Urlauber, der dort liegt, erzählte mir, dass das kaufen in den fr. Geschäften ganz streng verboten sei und sämtliche Soldaten um 20 Uhr in ihren (Kasernen sein müssten. Es soll eben strenge Disziplin gewahrt werden. Es ist ja auch richtig so, denn wenn der Revanchegedanke zwischen den beiden Europäischen Nachbarvölkern ein für alle mal ausgemerzt werden soll, dann muss ja von einer Seite einmal der Anfang gemacht werden. Dieser 2. Weltkrieg trägt ja die Note des gesamten Europäischen Schicksals. Wir sind heute innerhalb des Europäischen Kontinents auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden.
Nun zu Afrika. Generalfeldmarschal Rommel ist mit seiner Panzerarmee zurückgegangen, das stimmt. An sich ist dieser Rückzug bedauerlich. Es gibt aber in der Weltkriegsgeschichte keine alleinigen Siege, immer waren einmal Rückzüge und Fehlschläge zu verzeichnen. Was unser Rommel nun vorhat, wissen wir alle nicht und es ist auch gut so. Eins steht fest; es ist dem Feind nicht gelungen, die Panzerarmee Rommel zu vernichten und dies war sein Ziel. Das ist für uns ein Aktivposten. Des Weiteren haben wir zuerst Tunesien besetzt, also auch dieses ist dem Feinde nicht gelungen. Wir sind es, welche ihm zuvorgekommen sind und damit haben wir die Initiative in unserer Hand behalten, das ist das Entscheidende
Meine Meinung geht dahin, dass der Gegner auch mit seiner jetzigen 2. Front sich schwer in den Finger geschnitten hat, wie auch bei allen Versuchen vorher. In Anbetracht der unendlich weiten besetzten Gebieten spielt dieser an sich für uns unangenehme Zustand keine wesentliche Rolle. Ich meine und damit stehe ich nicht allein, dar Krieg ist mit dieser neu geschaffenen Lage in ein noch entscheidenteres Stadium getreten. Soeben wurde noch durch den Rundfunk die Stimme einer Feindpresse bekannt gegeben dergestalt, dass Adolf Hitler der grösste und vollendetste Organisator aller Zeiten wäre. Wenn das schon unsere Feinde sagen, dann braucht uns weiss Gott um den Endsieg nicht zu bangen. Wir Deutsche tragen den unbändigen durch gar nichts zu erschütternden Glauben in uns, dass der Endsieg nur unser sein kann. Dieser Glaube hat mich Jedenfalls noch nicht verlassen und verlässt auch niemals einen guten Deutschen. Der erste Weltkrieg wäre für uns auch nicht verloren gegangen, wenn die Wühlarbeit in der Heimat nicht die verderbende Saat gesät hätte. Die Front stand 1918, das kann ich selbst bezeugen, fest, also militärisch wurden wir auch da nicht besiegt. Dass in der Heimat in diesem Kriege keine Wühlarbeit verrichtet wird, dafür bürgt heute die Partei als Willensträgerin des gesamten Volkes.
Lieber Helmut! Heute vorm. habe ich unsere lieben Toten durch Überbringen von Tannensträusschen geehrt. Heute ist ja Totensonntag. Wir wollten uns zuerst mit unseren Lieben (Familie Klee u. Stellmacher) heute nachm auf den Friedhöfen treffen, ich habe aber nachm. wieder Wache und so musste ich denn heute vorm. die Friedhöfe aufsuchen. Tante Herta ist noch immer in Ostpreussen, sie hat anscheinend keine Lust mehr nach Essen zu kommen, sie wird aber kommen müssen.
Von Heinz haben wir länger nichts mehr gehört. Helmut Braun ist in Russland gelandet. Dass Irma Stellmacher im Schwarzwald ist, habe ich Dir bereits mitgeteilt. Von Irmgard haben wir in den letzten Tagen nichts mehr gehört, ich werde I. morgen anrufen. Nun alles Gute und recht herzliche Grüsse von
Deinem Vater

Recht herzliche Sonntagsgrüße sendet Dir, mein heißgeliebter Mann Dein kl. Frauchen Irmgard.
Lieber Helmut, auch ich sende Dir herzliche Sonntagsgrüße und wünschen Dir alles Gute, hoffentlich läßt Du uns auch mal ein Lebenszeichen zukommen. Nochmals herzliche Grüße Mutter.
Da für mich nur noch einer kleiner Streifen übriggeblieben ist, bin ich gezwungen mich kurz zu faßen. Ich wünsche Dir fernerhin das große Soldatenglücke und hoffe, uns bald gesund und munter wiederzusehen. Sollten wir uns bis Weihnachten nicht wiedersehen, dann wünsche ich Dir lieber Helmut schon im voraus frohe Weihnachten und glückliches neues Jahr. Bleibe fest und munter und freue Dich mit uns.
Wir sind unverhofft in Dein Elternhaus eingekehrt auf dem Rückweg vom Friedhof und unsere Gedanken weilen bei dieser Gelegenheit auch bei Dir. Herzliche Grüße Dein Vater Friese

 

top