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Brief (Transkript)

Peter W. an seine Ehefrau am 24.10.1944 (3.2002.7401)

 

No 64.

Zi. den 24.10.1944



Mein einzig Herzl Du!

Heute abend komme ich wieder zu Dir, um einzig und allein mit Dir zu plaudern – um ganz bei Dir zu sein mit großen Wünschen meines Herzen – mit der ganzen, ungestillten Sehnsucht meiner Liebe! Wie soll ich Dir alles schildern, was mich innerlich zutiefst bewegt. Schau, ich hab ja nur Dich allein – und das ist das größte Glück und mein schönster Reichtum auf dieser Erde. In diesen Wochen, da wir in der Heimat alles verloren haben und verlieren – da geht einem erst so recht auf, welche große Gnade uns der Herrgott schenkte, daß er uns zusammenführte! Alles verloren – und doch unendlich reich – glücklich und zufrieden! Innerlich haben wir uns zum Kreuze durchgerungen und uns gefunden, dort haben wir den ganzen Wert unserer Liebe begründet und dort finden wir auch die Kraft zu allen Opfern, die von uns gefordert werden. Das Kreuz ist für uns der einzige Wertmesser allen Geschehens – es reißt uns von aller Erdgebundenheit los und der dort zwischen Himmel und Erde thront als König der Liebe, er zieht uns alle an sein Herz! Dort finden wir Ruhe, Trost und Schutz für unsere bedrängten Seelen! Und wenn wir am kommenden Sonntag „Sein Fest“, das Fest seines Königtums feiern – dann wollen wir unsere ganze Liebe aufs Neue ihm schenken und weihen. (Kennst Du den „Morgengesang an Christus“ von Klemens Tillmann? Ich lege ihn bei.)
Es ist gut – daß uns in dieser Zeit das strahlende Königsbild Christi vor Augen steht. Und wenn es Menschen gibt, die in fanatischer Blindheit die Herrschaft über diese Erde für sich beanspruchen – dann klingt ihnen der Festintroitus protestierend und mahnend entgegen: „Würdig ist allein das Lamm, das geschlachtet ward, zu empfangen die Macht – und die Gottheit, die Weisheit, Stärke und Ehre. Ihm sei die Herrlichkeit und das Reich von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ Rührt dieses „Lamm“ nicht gerade in unseren Tagen die Menschheit mit der Rute seines Zornes? Und wie furchtbar geschlagen liegt sie am Boden – aus tausend Wunden blutend. Schlimmer als dieses Leid ist ja das moralische Elend – in das die Menschheit immer tiefer hineinsinkt. Es ist wie ein grundloser Sumpf – je heftiger man sich dagegen wehrt, desto schneller sinkt man ab! Wir erleben das ja täglich beide in unserer Umgebung. Und ich könnte neuerdings ein Lied davon singen. Ich schrieb Dir ja schon, daß bei uns hier ca 70 – 80 Panjenkas untergebracht sind. Da könntest Du ruhig am Abend durch unsere Stuben wandern – nur denjenigen würdest Du finden, der gerade Dienst am Gerät hat, alle anderen sind „flitzen“ und wenn sie dann heim kommen – dann gehts los und jeder weiß von neuen Abenteuern – jedes schauerlicher als das andere – zu erzählen. Es graut einem manchmal, wie da alle Frauenehre – und jedes echte Mannestum beschmutzt und besudelt wird. Wie glücklich bin ich dann, wenn ich Dein liebes Bild anschaue – wenn mich das Strahlen und Leuchten Deiner Augen erquickt und mich gleichsam vor allem bewahrt, was sich da gegen einen auftürmt und einen überfluten möchte. Und immer wieder steigt ein jubelndes Danken in mir auf, daß Du mein sein willst ganz und gar, mit Deiner großen Frauenseele – mit Deinem unberührten Herzen – mit Deinem unangetasteten Leib, den zu besitzen zu vollen Genuß und ganzer Freude Du Dich mir allein geschenkt hast! Und Du sollst meiner ritterlichen Mannestreue sicher sein – denn das ist das Schönste, was ich Dir in dieser Zeit der Trennung und Bewährung schenken kann.
Nun wird es wohl Zeit für Dich ins Körbchen zu steigen. Ich selbst muß wohl noch eine Weile wach bleiben und mir das monotone Gepiepse in die Ohren hupen lassen. Allerdings habe ich noch eine liebe Beschäftigung dabei – Nüsse knacken! Zu gerne hätte ich Dich ja an meiner Seite – lustig würden wir dann knabbern und plaudern!
Schlaf wohl, mein Lieb! Am liebsten würde ich ja mit Dir unter die Decken schlüpfen und mich an Dich schmiegen. Und ich würde Dich herzen und küssen, Dich fühlen und tasten, ob Du auch ganz da bist. Wie wild würde ich dann wohl werden – ich wüßte ja nicht, was ich alles mit Dir anstellen würde! Fliegenden Herzens würde ich Dich an mich ziehen und ganz -, ganz bei Dir sein, um nicht mehr von Dir zu lassen! Und wenn wir uns dann so recht von Herzen ausgetobt und ausgetollt haben, dann würden wir Arm in Arm und Herz an Herz einschlummern in der stillen sehnsuchtsvollen Hoffnung, daß neues Leben unter Deinem Herzen seinen Beginn nähme! Ach, wann wird diese Zeit kommen!?! Gott gebe es recht, recht bald! – Dich allzeit segnend, küsse und grüße ich Dich –
nur Dein Peter
Dein Gatte in ritterlicher Treue und Liebe

 

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