Nr. 59

Italien, 14.10.44

Du, mein Alles!
Jetzt gibt es sicher wieder eine kleine Pause zwischen meinen Briefen, da ich zwei Tage nicht geschrieben habe, aber durch den Ortswechsel mußt Du sowieso wieder auf die Post warten, Hoffentlich ist die Zeit nicht all zu lange. – Gestern hatte Gierse Namenstag (Eduard) da haben wir, die Schwestern aus Savoyen, am Abend ein wenig mit ihm zusammen gesessen. Wir haben es sogar fertig gebracht eine nette Unterhaltung zu pflegen, und den Krieg und das ganze, furchtbare Geschehen der Gegenwart für kurze Zeit zu vergessen und aus dem Gedankenkreis auszuschalten. – Sonst geht hier ein Tag nach dem anderen hier mit viel Arbeit, heute kam wieder ein Lazarettschiff mit 280 Verwundeten und Kranken, da gibt es morgen wieder einen Sonntag erster Ordnung, heute Abend habe ich in meinem Labor schon 15 Malaria Fälle vorgehabt, da kann’s also morgen „früh“ losgehen. – Gestern Abend gab es auch Post, von Dir war dieses Mal nichts dabei, Du hast gewiß in den letzten Tagen keine Zeit zum schreiben gehabt. Ich hoffe aber sehr, daß es Dir gut geht. Maria schrieb mir einen Brief. Was müssen die Ärmsten alles aushalten und durchmachen, wenn man doch endlich mal ein Ende sehen würde. Ich bin ja so froh, daß Mutter und die Mädchen zum schlafen fortgehen, vielleicht haben sie da etwas Ruhe. Andererseits ist es ein Jammer, daß Vater mit seinen 80 Jahren nachts alleine ist, dabei ist es zu verstehen, daß er nicht fort will. – Von Deinen Eltern habe ich bisher noch keine Nachricht, schreib’ es mir bitte, wenn Du etwas von ihnen hörst. –
Darf ich hier schon Schluß machen, ich bin heute sehr müde und möchte bald schlafen. Immer können wir uns noch ruhig und ohne große Sorge hinlegen, das ist ja wirklich ein unbezahlbar großes Glück. Also, mein guter Peter, bis morgen, da hörst Du wieder von mir. Laß Dich herzlich grüßen und innig küssen und kosen von
Deiner Dich stets liebenden Trude!