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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 10.02.1945 (3.2002.7184)

 

Gef.Stand, den 10.II. 45



Meine liebe Käthe!

Heute erhielt ich Deinen ersten Brief seit dem Verlassen von Warta, datiert vom 20.I.45 Zunächst möchte ich Dr. Renfranz [?] Adresse haben, um ihm zu danken. Über das, was wir verloren haben, will ich nicht mehr reden und Dir auch keine Vorwürfe machen, über das, was Du anders hättest machen sollen. Hinterher ist man immer klüger. Der Verlust der Bilder schmerzt mich am meisten. Mir ist direkt übel vor Kummer. Das gleiche gilt vom Pelz, von dem Du wohl lange hättest leben können. Wir sind also arme Leute dank des Versagens der Bonzen, die es, obwohl es möglich war, verhinderten, das Wertvollste rechtzeitig abzutransportieren. Aber ich bin so glücklich, daß Du und die Kinder am Leben sind. Nun beginnt der Kampf gegen Hunger, Not und Obdachlosigkeit. Ich werde Dir mit Rat helfen und die Sippe wird es mit Tat tun, solange Lautenberg noch steht. Ich möchte jetzt kämpfen mit Karabiner und Panzerfaust, aber ich darf nicht – noch nicht. Aber die Stunde wird kommen und beim letzten Gang werde ich dabei sein und mit abrechnen mit diesen Mördern, Räubern und Frauenschändern. Es bleibt nur die Wahl: Tod oder Sibirien. Wenn man beten könnte, müßte man beten: Gott laß uns nur niemals einen Augenblick feige sein.
Und nun Schwamm über alles. Laß fahren dahin – das Reich muß uns noch bleiben. Du hast in diesen Tagen Deinen Glauben an Gott und die Segnungen Deiner Kirche. Ich habe weder Glauben noch Hoffnungen, aber die unbeugsame Entschlossenheit weiter zur Fahne zu stehen und halte meinen Eid kompromißlos. Diese Einstellung ist das Produkt meiner Erziehung, einer Erziehung, die ich schon vor dem 30. Januar 1933 genossen habe. Woher mir die Kraft dazu kommt, darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Sollte die Kraft in der Stunde der Bewährung sich nicht zeigen, so habe ich mich selbst betrogen. Leicht wird mir diese Haltung nicht. Es ist ein ständiger Kampf gegen den Egoismus und die angeborene Weichheit, erschwert durch das, was ich sehen muß an Verzagtheit, Unvermögen vieler Männer in meiner näheren Umgebung, aber hochgerissen wird mein Mut immer wieder durch die vielen Beispiele hervorragender Tapferkeit, von denen man vernimmt.
Ich werde Dir wieder ein schönes Heim aufbauen, vielleicht schöner als das alte, wenn auch nicht mehr so kostbar. Wir werden einfach leben müssen, aber die Schönheit, Wohnlichkeit und die Freude wird bei uns sein, auch wenn wir nur noch eine Wohnküche besitzen werden.
Ich habe dafür schon meine neuen Pläne. Ich brauche nur etwas Werkzeug, Farbe und Pinsel und ein paar Rohmöbel. Man kann auch auf Stroh glücklich werden! Wenn wir nur die Freiheit behalten! –
Und nun zurück zu den Alltagssorgen: Hast Du die Safeschlüssel wenigstens mitgebracht bezw. hat sie Mutter? Wo sind die Safeausweise von Dir und mir.
Ich ließ sämtliche Berliner Sparkassenbücher sperren und werde die Zusammenschreibung und Ausstellung eines neuen Sparbuches selbst beantragen
Die Schieratzer Sparkassenbücher hast Du gerettet. Hebe zunächst die Kinderkonten ab, führe darüber Buch
Mein Sparbuch lasse umschreiben auf Lautenberger Sparkasse. Die Kindersparbücher lasse eingehen durch abheben.
Hast Du das Vermögensverzeichnis noch. Falls ja, ergänze es sofort. Falls nein, beginne die Aufstellung eines neuen, wie ich Dir bereits schrieb. Geschätzten Schaden von mir aus 50.000 RM Friedenswert einschließlich aller Aufwendungen für Warta. Anerkennung der Schadenssumme behalte ich mir selbst vor.
Das Wichtigste ist, sofort aufgreifen der Unterversicherung bei Onkel Diedrichs Mieterin. Alle Hebel in Bewegung setzen.
Schreibe mir sofort, was Du brauchst, angefangen von Zahnbürste bis zum Pyjama usw. Alle Kleinigkeiten vor allem auch.
Mache Inventar über die Sachen, die bereits in Lautenberg waren.
Ich schreib Dir sehr viel, wohl alle 2-3 Tage. Die Post wird schon nachkommen.
Herzliche Grüße u. Küsse
Dein Hans

Kopf hoch!

 

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