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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 21.05.1942 (3.2002.7184)

 

Nr. 62

U.O. 21.V.42


Meine liebe Käthe!


Die Nachricht vom Soldatentod Deines Bruders Kurt hat mich schwer erschüttert und ich weiß, daß nun doppelte Sorge um Deine beiden anderen Brüder und um mich in Dein Herz zog. Ich sah schon viele fallen, verlor viele gute unersetzliche Freunde und allmählich wurde auch ich so gefaßt, daß ich unbeachtet der Trauer um den Verlust und des Mitleids für die Hinterbliebenen mein seelisches Gleichgewicht behielt. Anders nun bei Kurts Tod. Er geht mir so hah und hat mich zu einer wohl seit langem notwendigen Selbstbesinnung gebracht, die Dinge hier draußen nicht mehr so gleichmütig und allmählich immer leichter zu nehmen. Du weißt, wie sehr mich jeder Kummer Deinerseits miterfaßt und ich kann und will auch keine Trostworte an’s Papier verschwenden. Nur die Zeit wird diesen Kummer heilen. Doch ich will betonen, daß ich nach wie vor und obwohl mir das Leben mit Dir und unseren Kindern nie so begehrenswert und seligmachend erschien wie gerade jetzt, wo ich es misse, der Ansicht bin, daß der Soldatentod die Krönung des Lebens und ein herrlicher Abschluß ist. Mag im Einzelnen die Vernichtung der körperlichen Existenz bei einzelnen Soldaten sich auch noch so schrecklich und grauenvoll unnatürlich vollziehen, der Einsatz und das Opfer des Lebens ist das Höchste, was ein Deutscher erreichen kann. Hatte ich nicht Dich, meine Mutter und die Kinder, die ihr mich noch benötigt und liebt daheim, müsste ich nicht noch für Euch sorgen und hätte ich nicht den Wunsch, Euch vor großem Kummer bewahrt zu wissen, fürwahr, ich würde auch mir wünschen, im Feuer der Schlacht zu verlöschen. So aber ist es anders. Ich muß, will und werde zurückkommen, aber wie die Omiriten [?] befahlen, nur mit, niemals ohne das Schild. Glaube nicht, daß ich leichtsinnig und überflüssig mein Leben einsetzen werde. Ich tat das nie und nehme lieber den Geruch des allzu vorsichtigen auf mich. Ich zittere vor den Gefahren wie jeder andere, nur mit dem Unterschied von vielen, daß ich es vor ihrem unmittelbaren Eintritt tue, mich darauf vorbereite, ihnen zu begegnen und sie dann Auge in Auge ohne Furcht und Schrecken überwinden kann. Wo es sein muß, werde ich mich rücksichtslos einsetzen, sonst aber weiß ich was ich auch Euch schuldig bin.
Und nun sei tapfer wie bisher. Ich will auch nicht mehr augenblicklichen Depressionen nachgehen und Dir etwas vorklagen. Wir wollen beide tapfer sein. Du als kleine Soldatenfrau und ich hier an der Front. Mache Dir keine Sorgen. Ich habe wohl oft lange Ruhepausen und Du quälst Dich derweil mit trüben Gedanken. Seit 14 Tagen bin ich z.B. wieder hinten und bleibe noch lange hier. Man darf Euch ja nur nicht zuviel darüber sagen. Doch nun etwas Schönes. Ich bin dunkelbraun wie Trenker, badete schon im Meer, zeichnete viel und werde noch viel malen. Ferner kaufte ich schöne Bilder für unsere Wohnung. Eine Gravur von Napoleon in der Schlacht bei Arrole handkoloriert von 1778 gestochen in Mailand nach dem Gemälde von Le Gros. Hafenansicht von Konstantinopel, von Dresden 1826 handkoloriert, 2 prachtvolle Stücke, die mit Blattgoldrahmen herrlich ins Herrenzimmer passen, das Bild von Dresden verkaufe ich oder tausche ich später. Und dann ein wunderbares Stilleben mit altgoldenem Rahmen für das Eßzimmer von einem unbekannten alten Meister des 19. Jahrh. Nach meiner Taxe 500.- RM mindestens wert. Zu diesen Sachen kam ich auf eigentümliche Weise. Als ich im Hofe der von Partisanen gesprengten Kommandantur eine Zeichnung von einem alten Mörser und den Ruinen zeichnete sprach mich eine olle Frau an. Eine Malerin und lobte mein Bild. Ich besuchte sie darauf, um mir ihre Bilder anzusehen, da ich gern eine Landschaft von Taganrog als Andenken mitnehmen möchte. Sie selbst besaß nur wunderbare alte Gemälde, Bronzen usw., machte mich dann mit einer Reihe von Malern bekannt, bei denen ich neben vielem Kitsch eine Reihe kostbarer Sachen entdeckte. Von ihr selbst werde ich noch eine alte Winterlandschaft vom Asowschen Meer kaufen, doch will sie nicht recht raus damit.x) Ich denke, wenn ich meinen Wehrsold in so guten Bildern anlege, ist das besser als alles andere, denn uns fehlen ja gut Originale, außerdem sind das bessere Andenken als Karabiner, Stahlhelm usw. Wenn Du sie nicht leiden magst, kannst Du sie ja später verkaufen an den Antiquitätenhändler. Da bekommen wir ein 10faches von dem was ich jetzt bezahle. Sei nur vorsichtig beim Öffnen meiner Sendungen, damit nichts beschädigt wird.
Einen schönen alten Leuchter kaufte ich auch noch. Wieviel Leuchter sind jetzt zu Haus?
Du siehst ich sorge für unser Heim, sehe nicht dunkel in die Zukunft, sondern sehe uns in einem schönen eigenen Haus. Die Kinder spielen im Garten. Vater malt im Atelier, seine Saskia, d.h. Dich, da er ja keine anderen Modelle bringen darf. Sonnabends feiern wir ein kleines Gartenfest und im Winter ein Atelierfest zu zweien. Dann brennt die Wachskerze in dem russischen Leuchter wir blättern in den alten Skizzenbüchern und Fotoalben und trinken russischen Tee aus dem Samovar, einen polnischen Wodka oder einen französischen Liqueur. Der Boden ist bedeckt mit Teppichen aus Astrachan und der Plattenspieler summt das Wolgalied. Das ist nicht alles Fantasie, sondern das wird Wirklichkeit, wenn auch das Warten schwer wird. Also Köpfchen hoch!
Und nun zu Deiner Post Nr. 40, 41, 43, 45, u. 48
Die Feldmütze traf ein. Für alles herzlichen Dank. Bilder der Kinder entzückend. Bezugsscheine für Halsbinden, Handschuhe folgen. Konntest Du für meine Feldmütze nicht die Kleiderkarte von mir benutzen? Falls Du keine Mütze bekommst, lasse meine alte Feldwebelmütze umarbeiten. d.h. weichen Schirm, Futterpackung u. Draht heraus, gewebte Abzeichen und Kokarde. Umpaspelieren nicht notwendig, wenn auch erwünscht. Die Schirmmütze schützt besser vor Staub und die Augen vor allem.
Herr Hase wollte die Angaben vermutlich für die Bronzemedaille der NSDAP (10 Jahre aktive Mitarbeit!)
Heute aß ich die ersten Radieschen. Ferner bekam ich viel Karpfen [?] und auch reichlich Eier dank Eurer reichlichen Cigarettensendungen.
Es grüßt und küßt Dich herzlichst, liebe Käthe, Dich und die Kinder
Dein Dich liebender Hans.

x) heute noch 2 herrliche Oelbilder dazu erworben. Abendsonne am Asowschen Meer, Straße nach Rostow (gehen morgen ab an Dich).

 

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