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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 13.03.1942 (3.2002.7184)

 

Nr. 44

F.St. 13.III.42


Liebe Käthe!

Sicher wirst Du sehr auf Post warten. Wir haben inzwischen Stellungswechsel gemacht und zwar soweit, daß wir jetzt 30 km weit weg von der Batterie und unserer Ruhestellung sind. Da geht natürlich nur selten ein Fahrzeug hin und her. Ich bin jetzt seit 3 Wochen selbständig. Der Chef sitzt hinten und ich bin mit Ltn. Döpner und 3 Werfern einsam und verlassen, nur durch eine Handvoll Infantristen gesichert auf einer Halbinsel am Meer. Es ist nichts los außer 2 Angriffen. Den einen beschrieb ich in dem Bericht, von dem Du Abschrift erhieltest, der andere erfolgte am Tage der Roten Armee. Wir brauchen uns nur um Fallschirmjäger und Partisanen Sorge zu machen. Ich glaube aber kaum, daß sie sich an meine Stellung herantrauen, da sie viel zu schwach sind und es lohnendere Ziele gibt. Alles in allem also Kurort am Asowschen Meer.
Die Trauer um die Enttäuschung in der Sache Lehderich war bei mir wohl ebenso groß wie bei Dir, vielleicht noch ein bischen größer. Denn einmal bedeutet das Fehlen des Zeichenmaterials das Ende meiner Malerei für den ganzen Feldzug (sofern die Postsperre nicht aufgehoben wird) und andererseits hat Lt. Lehderich auch Deinen Brief an mich verloren. Ich erhielt nur Nr. 65 v. 20. II. und 57 vom 6. II. 42. Die Heereskleiderkasse packt wohl auch Zeichenmaterial bei, wenn Du dem Verkäufer ein gutes Wort gibst. Wegen der leiblichen Genüsse, die mir entgehen, will ich Dich mit der Mitteilung trösten, daß ich seit einer Woche „fresse“. Wir lassen unbefugter Weise fischen. Gestern aß Pappa einen mehrpfündigen Hecht mit gebräunter Butter. Vorgestern einen Karpfen, heute zwei Schleie usw. Seit ich den Haufen hier einschließlich Verpflegungssorgen übernahm, hat sich die Lage nämlich geändert. „Organisieren“ ist alles und Tabak öffnet die Herzen der Wirtschaftssonderführer und auch der russ. Fischer. Heute 2 Centner Weizen für 3,50 RM gekauft. Montag kaufe ich ein Rind (Doppelzentner 15,- RM ausgeschlachtet), für jede Cigarette ein Ei, dann Sonnabends 20 l Milch für meine 41 Männer. Mit diesen Zutaten kann man allerhand anstellen. Hoffentlich bleiben wir noch lange hier, aber es taut und taut und sobald das Eis nicht mehr trägt, ist meine Aufgabe hier erfüllt. Also ein Trost in dem nun schon konstanten „Paket“elend ist da. Sicher ist Dir das auch ein Trost. Ich glaube allerdings, daß ich Dich schriftlich bat, Lt. Lehderich nur ein Feldpostpäckchen mitzugeben. 9 Kg waren zuviel. Aber Du hast recht, er hätte auspacken können. Aber er ist schon so wie Du schreibst.
Von der schönen Puppe sagst Du garnichts. Das war doch meine größte Freude und eine ganz seltene kostbare Angelegenheit. Hast Du sie nicht bekommen. Lt. Lehderich teilte mit mit, daß er sie Dir zugeschickt hat.
Wegen der Steuern schreibe ich nun ohne Zahlen an Finanzamt. Geh doch selber hin, wenn mein Bdbr. Rudolph nicht damit zustande kommt. Es steht doch alles in den Akten. Es handelt sich bei den steuerfreien Beträgen um
Beiträge zu den 3 Lebensversicherungen
`` zum NSRB
Unterhalt meiner Mutter
und was sonst noch ist wie 1942. Nur ist der Unterhalt für meine Mutter 10 oder 20.- RM höher desgleichen der NSRB Beitrag. Wenn das Finanzamt nur jetzt das Formular für die Steuererklärung schickt, mußt Du es vorher mit Blei ausfüllen. Da muß ich dann auch die Sparkassenzinsen für 1941 wissen, die NSRB Beiträge, Unterhalt meiner Mutter, Lohnsteuer der GSW, Lohnsumme der GSW nach Abzug des Wehrsolds.
Die Bundeszeitungen erhalte ich auch. Armer Bundesbruder Leben. Er wollte gerne meine Schwester Anne heiraten, war Forstmann, ein lieber, lustiger, fleißiger Geselle. Die Besten in meiner Burschenschaft sind bisher gefallen. Die Nieten sitzen noch zu Hause. Fränke sitzt im Führerhauptquartier. Er verstehts.
Außer den 450,- RM gingen inzwischen 150,- an meine Mutter, von denen Du ca 100.- erhältst und hoffentlich auch das Buch zu Ostern. Morgen gehen weitere 100.- RM ab.
Schicke jetzt keine Büchsenmilch mehr nur noch was Süßes, auch Zucker in Briefen, wie meine Mutter.
Die Heereskleiderkasse rufe an, daß sie die Bestellung meines Regiments auf 2 Paar Strümpfe nun nicht mehr ausführen. Sonst ist es zuviel des Guten. Regimentsfeldpostnummer ist die alte, die ich auf der Reise hatte.
Der neue Kommandeur mach mich sehr gerne. Sieh Briefe an meine Mutter.

Ich sitze am Ofen in einer neu gekalkten guten Stube des Fischerhauses. Die junge Frau des Fischers tut alles, um es mir schön und gemütlich zu machen. Sie ist hübsch und hat ein feines schmales Gesicht. Der Fischer ist übergelaufen von den Roten und wurde von den deutschen Soldaten fortgebracht. Sie hat 3 hübsche kleine Kinder. Ich sorgte für Holz und Fisch. Nun ist sie dankbar, aber wir können nicht miteinander sprechen, da sie mein russisches Kauderwelsch nicht kapiert. Ich gebe ihr Kochanweisungen. Mein Wachtmeister der nebenan wohnt, macht sich wohl an sie heran. Er spielt „Mensch ärgere Dich nicht“ mit ihr.
Manchmal ist es wie ein Märchen im Leben. Man holte mich wegen einer Lappalie nach T. zurück, über 30 km mit einem klapprigen Panjewagen. Abends sehe ich den Harem eines Märchenpaschas. Leichtbekleidete, herrlich gewachsene Bajaderen. Tänzerinnen, Odalisken und Sängerinnen mir schneeweißen Perlengebissen, vom anderen ganz zu schweigen. Gestern noch ekelte man sich vor den Weibern, die sich gegenseitig die Läuse aus den Haaren suchten, vor grindigen, rachitischen Kleinkindern mit säuerlich stinkenden, schmutzgrauen Wäschelumpen, heute bewundert man den unordentlichen Charme, den anmutigen Liebreiz der herrlich gewachsenen Russenmädchen. Wünsche steigen auf, die erfüllt werden könnten, aber nicht erfüllt werden dürfen. Man geht „nach Haus“, liegt wach, hört das Grollen der Front, denkt an die Männer die draußen in kalter Winternacht sterben, bluten und erfrieren und dann kommt man zur Besinnung, daß man solche Wünsche nicht haben darf. Einmal kommt der Tag, an dem wir uns wieder in die Arme werfen und dann soll nichts zwischen uns stehen. Die anderen bringen sich um den schönsten Lohn des Siegers. Wie denken solche Frauen daheim über sich und uns? Wie es um Dich bestellt ist, weiß ich. Mir wird es wohl schwer aber wenn ich Dich mir recht vergegenwärtige, dann wird es mir wieder leicht und vollends dann, wenn ich an unsere beiden lieben Kleinen denke. Es grüßt und küßt Dich herzlichst
Dein Hans

 

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