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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 17.09.1939 (3.2002.7184)

 

17.9.39



Liebe Käthe!

Ob meine Briefe ankommen, weiß ich nicht. Ich habe wenigstens seit Groß Born nichts mehr gehört von Dir, da unsere Feldpost vollständig versagt. Sehr zu wundern braucht man sich darüber nicht, denn wir gehen sehr schnell vor. Seit Berlin rund 1800 km gefahren. Heute stehen wir am Bub und haben gestern Brest-Litowsk gestürmt. Die polnische Armee, soweit sie im westlichen Polen stand wird vollkommen umzingelt. Die Trümmer, die sich nach Osten in die Sumpfgebiete retten wollen, werden von Panzern und Fliegern gejagt. Heute Nacht haben die Panzer 12 große Eisenbahnzüge fertig gemacht. Man vermutet, daß die Regierung Polens darunter war. Die Gefangenen erzählen, daß Polen im Osten eine neue Armee aufstellen will. Danach besteht die alte nicht mehr. Die Polen haben zum Teil den Mut verloren. Sie werfen die Waffen weg und kommen uns waffenfrei entgegen. Man drückt ihnen einen Zettel in die Hand wohin sie sich zu begeben haben. Wenn man die Gefangenen sieht traute man ihnen nichts Böses zu, aber wehe wenn ein Deutscher in polnische Gefangenschaft gerät, den martern sie zu Tode. Wir behandeln sie viel zu gut.
Mir selbst geht’s den Umständen entsprechend gut, Tag und Nacht unterwegs. Schlaf ist Luxus. Auf der Erde kann man nicht mehr schlafen, weil´s zu feucht und kalt ist. Man hockt also halb schlafend halb wachend hinterm Steuer. Sobald’s etwas heller wird, geht’s weiter. Teilweise wird auch in der Nacht gefahren ohne Licht, was sehr anstrengend ist. Rheumatismus habe ich mir schon geholt. An Waschen ist tagelang nicht zu denken. Wir sehen aus wie die Schweine. Ich selbst bin besonders dreckig, da ich viel an meinem Wagen zu arbeiten habe; man wird allmählich Autoschlosser kleinere Reparaturen muß man selber ausführen. Mir macht das Spaß bis auf den Dreck. Das Fahren ist nicht einfach auf den Landwegen. Die Straßen sind unvorstellbar schlecht. Die Brücken sind oft gesprengt und man muß quer feldein.
Vorgestern traf ich den dicken Lüdke und Sedlatschek von den Teglern. Die haben es besser. Sie sind beim Schützenregiment 3 und werden gefahren mit ihrem MG. Sie sind dick und fett geworden. Einer von unser Tegler Korporalschaft ist gefallen und zwar durch Baumschützen abgeschossen worden. Am Morgen sagte er noch zu Lüdke, von heute ab, könne Lüdke seine Mollen trinken. Wir selbst haben seit Tagen keinen Beschuß gehabt, sodaß Du Dir keine Sorgen zu machen brauchst. Wenn es auch am 20. nicht Schluß ist, so doch in wenigen Wochen.
Falls Geld noch nicht abgeschickt ist, schicke keins mehr. Hier kann man nichts mehr kaufen. Was fehlt holen wir gratis von den Juden. Hoffentlich erfahre ich bald, was mit dem Gehalt wird.
Ich wünsche Dir alles Gute, grüße meine Mutter und sei selbst herzlichst gegrüßt von
Deinem Hans

 

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