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Brief (Transkript)

Anonymer Schreiber am 17.04.1944 (3.2002.7131)

 

den 17.1.44.



Mein lieber Harri!

Ich wollte Dir eigentlich schon eher einen Schrieb zukommen lassen. Aber seit Weihnachten stand ja meine Abkommandierung in Aussicht. Und so wollte ich nun warten, bis ich Dir gleich meine neue Anschrift mitteilen kann.
Vorgestern bin ich nun hier auf meinem neuen Dampfer gelandet. Standort habe ich nicht gewechselt. Mit der Abkommandierung hatte ich etwas Pech. Eines Morgens erfuhr ich auf der „Steuben“, daß von der Front einige Wachoffiziere angefordert waren, die von unserem Lehrgang gestellt werden sollten. Mittags wetzte ich natürlich gleich zum Chef, und wollte um ein Kommando von diesen bitten. Aber leider kam ich zu spät. Er hatte bereits am Morgen einige andere Kameraden von mir gemeldet. Ich war schon zum Kommandantenlehrgang freigegeben. So sind also von den 12 Mann 5 an die Front gekommen als W.O. und die anderen zum Lehrgang. Du wirst vielleicht den Kopf schütteln und meinen, ich hätte ja somit jetzt die Chance, viel eher als Kommandant zu fahren. Das stimmt schon, alter Knabe. Aber die Fronterfahrungen, die man als W.O. gerade heute auf einer Fahrt sammeln kann, sind bedeutend wichtiger. Es kommt ja gar nicht darauf an, ob ich nun ? Jahr früher oder später Kommandant werde. Dann jedoch hast du die gesamte Verantwortung für Boot und Besatzung auf deinen Schultern. Das ist immerhin zu bedenken. Der Lehrgang dauert 6 Wochen. Er ist ungefähr die Zusammenfassung aller theoretischen Lehrgänge, aber nur in der Praxis. Theorie hört also jetzt endlich auf. In den 6 Wochen werden wir schön gelüftet. Morgens um 4 Uhr geht’s aus der Koje und spät abends sind wir wieder drin. Aber es muß auf alle Fälle hinhauen.
Wenn es irgendwie möglich ist, möchte ich auch nach diesem Lehrgang noch versuchen, eine Fahrt als W.O. zu machen. Hoffentlich gelingt mir dies.
Wie hast Du denn nun Sylvester verlebt? Bei uns war es nicht viel. Es fehlten die flüssigen Sachen. Es gab nur für jeden 3 Likör. ? Fl. Rotwein und ein Glas Sekt um Mitternacht. Ich bin also selten so berauscht ins neue Jahr marschiert wie diesmal. Eigentlich muß ich auch sagen, daß ich auch gar nicht in der Stimmung war, mich zu besaufen. Dagegen war ich am 1. bei einem Kameraden in Gotenhafen eingeladen, und da ging es dann rund. Es boten sich ungeahnte Möglichkeiten, die sogar noch den ganzen 2. in Anspruch nahmen. Kommentar ist ja wohl überflüssig. Ansonsten gibt es eigentlich diesmal nichts weiter zu berichten. Wann der Betrieb hier angelaufen ist, schreibe ich mal wieder. Ich bin ja gespannt, wie sich die Lage nachher entwickelt.
So, nun bist‚ du mal wieder dran.

Nun mach’s gut. Recht herzliche Grüße
Dein Gerhard

Feldp.Nr.:
M 06536

 

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