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Brief (Transkript)

Otto Ewig an seine Familie am 15.09.1940 (3.2002.1290)

 

Paris, 15. Sept. 1940



Meine Lieben !

Meine Karte von der Ankunft in Paris werdet Ihr erhalten haben. Ich habe also meine Rundreise durch Europa fortgesetzt. Donnerstag früh kam ich nach 27- stündiger Fahrt, die von Köln über B. Gladbach, Dalheim (Grenze Holland), Roermont, Weert, Hasselt (Grenze Belgien), Brünel, Eltenach, Brain le Compte, Cournai (Frankreich), Lille nach Paris ging, hier an. Ich habe also mit einem Schlag Teile von 3 Ländern kennen gelernt. Ich bin also an der Reichskreditkasse Paris, wo ich eine Kasse zu führen habe, abgeordert. Die Bank ist ein Gebäude des früheren englischen Lloyd. National-Provincial-Bank, die dort liegt (Vater sieht sicher im Stadtplan nach) wo der Boulevard Madelaine in den Boulevard des Capucnes übergeht, unweit von der Oper. Wir sind im Hotel de Paris untergebracht und wohnen wie die Fürsten. Das ist gewissermaßen eine Genugtuung, da wir doch mit erlebten, wie zur Besatzungszeit sich die Franzosen die beiden Hotels für sich genommen haben. Ich habe ein prima Zimmer mit Badezimmer im 5. Stock mit Blick auf die Boulevards und den Eifelturm. Paris ist wirklich eine herrliche Stadt und ich freue mich riesig, sie auf diese Art und Weise kennen zu lernen. Heute, Sonntagmorgen, machte ich mit einem mir von Reichenberg bekannten Kameraden, der hier im Marineministerium 2. Nachrichtenoffizier ist, eine Rundfahrt in seinem Dienstwagen durch Paris. Place de la Concorde, Tuileries, Arc de Triomphe, Champs Elysées, Weltausstellung, Eifelturm, Notre-Dame und noch vieles andere bekamen wir zu sehen. Ein weiterer Kamerad aus Reichenberg ist ebenfalls hier bei der Reichskreditkasse, worüber ich mich sehr freute. Ein dritter Reichenberger ist Verwaltungsbeamter bei irgend einer Militärdienststelle, den ich auch sehr begrüßte. Im Büro des Bahnhofsoffiziers traf ich einen mir bekannten Bonner von der Deutschen Bank namens Rosskampf. Auf einem U-Bahnhof unterhielt ich mich über Bonn, da dreht sich ein Soldat um und sagte, er wäre aus Bonn und wohnte in [...]feld. Ich habe also Bekannte genug hier. Das Pariser Nachtleben habe ich schon an 3 Abenden gründlich kennen gelernt, 3, 4 und 5 Uhr im Bett. Ich glaube, ein solches Leben und eine solche Stimmung findet man nur in Paris. Später mehr davon. An Peter habe ich geschrieben. Vielleicht ists möglich, dass ich einmal zu ihm fahre, er kann ja wohl nicht nach Paris kommen. – Wir gehören zu den Truppen bzw. den Dienststellen der Wehrmacht und haben auch die Rechte der Soldaten. Freie Fahrt auf der U-Bahn I. Klasse. Freier Besuch der beiden Soldatentheater und der beiden Soldatenkinos. Man hat sich natürlich die beiden für die Soldaten herausgesucht. Verpflegung ist gut. Mittags essen wir alle im Casino der Bank. Abends wird draußen gegessen. Man lebt in den Restaurants noch ganz anständig, muß aber auch für gutes Essen etwas anlegen. – An der Kasse, ich habe den Umtausch von Reichsgeld in Frances, ist viel zu tun, doch sind wir mit 2 1/2 Stunde Mittagspause um 1/2 8 Uhr abends fertig. Meine Anschrift:
Reichsbankinspektor Otto Ewig
Feldpost Nr. 15272, Reichskredtikasse
Für heute sei`s genug. Herzliche Grüße und Küsse Euer Otto


Hoffentlich seid Ihr gesund.

 

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