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Brief (Transkript)

Hans Simon an seinen Vater am 28.07.1941 (3.2002.1288)

 

28.7.1941



Lieber Pappi!

Auch Dir muß endlich meinen kleinen Dank abstatten. Möchte Dir ja, wenn es geht, einen seitenlangen Brief von meinen Erlebnissen schreiben. Aber so Gott will, kann ich Dir vielleicht alles, sehr bald alles, selbst berichten. Du glaubst gar nicht, welche Freude Du uns mit den Zigaretten bereitetest. Wir sind jetzt 7 starke Raucher und mit der Rauchware ist es knapp. Also hab nochmals vielen Dank lieber Pappi und (wieder eine Bitte), kannst Du mir so nach und nach ruhig 100 (erschrick nicht) Kuverts schicken. Bei den anderen Kameraden, die teils den 1. Feldzug mitmachen, wissen die Angehörigen nicht so Bescheid, wie Du mit dem Schicken. Einer schimpft immer und sagt: Dein Oller spart wenigstens, aber meine Olle die stellt sich so an. Ich weiß wohl, wie schwierig es eben ist, mir was zu schicken. 1. sind die Sachen knapp und dann die 100g Grenze. Nun zur lage. Die Russen oder besser der Bolschewik ist ein ungemein verhetzter und außerordentlich zäher Gegner. Bisher war es so, daß er den Tod der Gefangenschaft vorzog. Seine Artillerie schießt viel, doch meistens aus offener Feuerstellung, und wenn er direkt schießt, so hat er selten eine vorgeschobene B-Stelle. Auf unserem Abschnitt weiß er Pak und Panzer nicht so richtig einzusetzen. Er hat übrigens eine 4,7 cm "Rheinmetall" Pak mit denselben Teilen wie wir, nur der Kaliberunterschied, vollautomatischer Verschluß, gleitend und senkrecht, Zieleinrichtung und geringfügige Kleinigkeiten unterscheidet sich von unserer Pak. Die Kanonen muß er wohl in Spanien erbeutet (von den nationalen) und nachgebaut haben. Vielleicht mögen wir sie ihm ohne Rohr und Verschluß verkauft haben. Mit den Fliegern haben wir auch schon sehr nahe Berührung gehabt. Schwerkalibrige Bomben und Tiefangriffe in nächster Entfernung. Ich schrieb schon ausführlich davon. Man kann die russischen Flugzeuge, Bomber und Jäger, an dem gedrängten Bau und dem kurzen Rumpf erkennen. Seine Artillerie ist mit langsamen Treckern motorisiert. Die Pak meistens bespannt, wie teils die Tschechische. Mit den handfeuerwaffen MG, MP und dem automatischen Gewehr, versteht er vorzüglich umzugehen. Vielleicht hast Du in den PK-Berichten davon gelesen. Das neuartige Gewehr hat ein Magazin mit 10 Schuß und funktioniert im Prinzip wie eine Pistole. D.h. es ist ein Selbstlader. Man kann dadurch eine hohe Feuergeschwindigkeit erzielen. Außerdem hat dies Gewehr eine Mündungsbremse und eine tadellose Visiereinrichtung. l-MG und S.MG schießen langsamer als unsere. Sein S-MG hat einen Panzerschild und läuft mit 2 kleinen Eisenrädern. Er ist wassergekühlt. Adrett richten und schießen kann man nicht damit. Im Abschnitt unseres Bataillons hat er schon mit Gas geschossen. Nur stand der Wind ungünstig für ein Gasschießen und die Sache war nicht richtig angelegt. Jetzt hat er den Anblick von 1812. Brückensprengungen, Dörfer in Brand stecken. Alles Eßbare verschwinden lassen. Meistens hat er selbst keinen Nachschub und ist auf die Vorräte in den Dörfern angewiesen. Dann hat er auch so manche Sachen ausgeklüngelt, die ich noch nicht schreiben will. Du siehst: Es ist diesmal ein äußerst harter Kampf. Man soll sich das in der Heimat ja nicht so leicht vorstellen und den Fehler begehen, den ich beging, als ich die Russen unterschätzte. Im Wehrmachtsbericht der letzten Tage wurde geschrieben, daß bei Newel sich 11-12000 Russen ergeben hätten. An diesem Kessel waren auch wir beteiligt. In einer Tannenschonung hatten wir uns mehrere Tage ausgebaut und die Ausbrechversuche abgewiesen. Neben uns schoß er auch mit Gas. War eine mulmige Zeit. Marschieren anscheinend nun auf Cholm zu und haben einen riesigen Wald vor uns, mit Morast und Sumpf anscheinend. Ein trauriges Bild, wenn man durch Rußland zieht. Bin von Polen schon allerhand gewöhnt, aber so arm habe ich mir das land doch nicht vorgestellt. Die Wohnhäuser meist die Wände schief, mit Bohlen gestützt. Die Dächer mit Stroh gedeckt, undicht, um nicht zerfetzt zu sagen. Bei den Ställen scheint der Mond hinein. Da ist nur noch das Gerüst vorhanden: Vieh kaum vorhanden gewesen. Auch die Felder dürftig bestellt. Erst jetzt finden wir Haferfelder. Es muß übrigens eine Eiszeitlandschaft gewesen sein zwischen Lucki und Nawel und Cholm. Die Unmengen von großen Findlingen liegen überall im Gelände. Das sind manchmal Brocken! Vom vielbeschriebenen russischen Wald habe ich bisher, außer einmal in Litauen nicht gesehen. Das Land ist aber äußerst hügelig. Das Land ist verwahrlost und meiner Meinung nach, steht es vor dem Ruin. Mir wird eine Menge klar, wie die Hungersnöte in Rußland möglich waren, was mir sonst immer ein Rätsel war. Man müßte mal die Kommunisten aus den Konzertlagern in das Arbeiterparadies führen. Sie wären auf Lebenszeit geheilt, oder müßten erschossen werden. Dies sehen und Kommunist bleiben ist unmöglich. Da kann selbst der am meisten verhetzte Kommunist mit gesundem Menschenverstand nicht bei seiner Entscheidung bleiben.
Nun nochmals vielen Dank. Gott mit uns

 

 



Ansicht des Briefes

 

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