Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hans Simon an seinen Vater am 21.07.1941 (3.2002.1288)

 

21.VII.41

Lieber Pappi!

Hab vielen, vielen Dank für die Zigaretten. Sie kommen auch immer dann an, wenn nichts mehr da ist zu rauchen. Du kannst Dir ja vorstellen, wie groß die Freude dann immer am Geschütz ist, wenn ich dann so einen dicken Brief bekomme.
Möchte Dir vieles berichten, was ich später selbst erzählen will. Jedenfalls ist es ein ulkiger Feldzug, um nicht "bescheiden" zu sagen. Im ganzen Feldzug haben wir bis jetzt nicht einmal 24 Stunden in einem Ort gelegen. Da kannst Du Dir ja vorstellen, wie es mit unserer Ruhe bestellt ist. Und dann liegt man jeden Tag am Feind. Dazu kommt der Heckenschützen-Krieg. Es ist bis jetzt so gewesen, daß man den Russen erst umlegen mußte, bevor man weitergehen konnte. So zäh habe ich noch keinen Feind gehabt. Er hält sich in seiner Stellung bis er tot ist, er schießt, selbst wenn er verwundet ist. Nun kommt dazu, daß er ein Meister im Tarnen ist. Eins was mir aufgefallen ist: Ich sah, seit ich im Sowjet-Reich bin, ich sah nie ein frohes oder freudiges Gesicht. In alle Gesichter war Bitterkeit gegraben. Ich habe die Angst vor den Deutschen mitberechnet. Heute sah ich mal einen Russen, der lächelte. Bei den Vorausabteilungen, die wir machten, sah ich nicht selten Frauen beten, sich bekreuzigen, die ihr Kreuz, das sie wie Onkel Ernst um den Hals tragen, küßten. Die Kirchen stehen auch noch. Nur habe ich mich nicht überzeugen können, als was sie Verwendung finden. Eins noch, wer vielleicht einmal überzeugter Kommunist gewesen ist und jetzt in diesem Feldzug das Sowjetreich erlebt, der ist geheilt von dieser Krankheit. Dörfer sah ich, schlimmer als in Polen, Häuser verfallen. Manche der Häuser waren verlassen. Wenn sie verfallen, so stehen oft ganze Dörfer verfallen und leer. Trostlos. Nun sind mir auch die Hungersnöte verständlich. In Litauen herrschten auch solche Zustände. In Lettland konnte man schon den deutschen Einfluß spüren. Schade, daß mein Fotoapparat nicht funkt. Du müßtest einmal die Bilder und Zustände sehen. Ob das früher auch so gewesen sein mag? Die Russen, die vor uns lagern bei unseren Verteidigungsstellungen werden bei einem ihrer Angriffe deutlich von hinten mit russischen MG in den Kampf gejagd. Wir wollten sie, als sie in Sichtweite kommen, überlaufen lassen, aber als sie anfingen zu schießen, da erhob sich ein Feuerwerk. Zur Flak, leichte und schwere Maschinengewehre und wir. Der ganze Waldrand war eine Staubwolke. Die Flak hielt so in Brusthöhe als sie liefen. Es war die reinste Hasenjagd. Eben kesseln wir wieder. Als Landser weißt Du dann gar nicht, was los ist. Da schießt und brennt es hinter und vor Dir, rechts und links. Und dann ist es ein ideales Verteidigungsgelände. 20 km vor uns ist ein 100 km tiefer Wald. Hoffentlich kommen wir heil hindurch. Man kann ja eben leider nicht alles schreiben, was Dich interessiert, aber es geht nicht. Hoffentlich kann ich Dir es später selbst erzählen. Übrigens traf ich beim Regimentsstab einen Korporal, der das Baltenkreuz hatte. Als ich ihn daraufhin ansprach, ga er seine Freude zum Ausdruck, daß ich das Baltenkreuz kenne. Ein Wort gab das andere und im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, daß er Walther heißt und den Schrundenschen Pastor van Beuningen kennt. Auch kennt er Onkel Ernst dem Namen nach. Baron Virks(?) ist ihm auch bekannt. Leider wurde unsere Unterhaltung unterbrochen, weil er in seiner Funktion als Dolmetscher vorne gefordert wurde. Die Kameraden erzählten mir, daß er in Zivil bei der SA Standartenführer sei. Und nun bin ich lange Zeit nicht mehr beim Regimentsstab gewesen, der mit diesem Wagen auch ziemlich weit vorne ist. Gestern hatten wir viel Glück gehabt. Vorgestern hatten wir einen harten Angriff gehabt und zwei russische Batterien nebst 4 Panzern und eine Menge Infantrie zurückgeschlagen. Leider konnte ich keinen Panzer vors Rohr bekommen, weil wir nicht so schnell im Gelände vorkommen konnten. Dann bleiben wir über Nacht liegen und am nächsten Morgen sollte eine Radfahrkompanie mit unserem Zug Vorausabteilung auf die Bahnlinie vor uns machen. Nun war noch ein Wagen vor uns, der Feind im Gelände feststellte. Laut dessen Meldung hin, wurde die Pak herausgezogen und ein Zug Radfahrer ging weiter vor bis zur Feindberührung. Die Russen ließen die Radfahrer über eine Höhe kommen und empfing sie mit einem Feuerhagel und versuchte hinter ihnen den Ring zu schließen. Und dann gab es Artillerie dazu. Zum Überfluß hatten die Russen eine Halbrundstellung gehabt. Der Spähtrupp hat sich dann auch vom Feinde lösen können, wie aber. Wie aber, wenn wir mit unseren Fahrzeugen von 3 Seiten Feuer bekommen hätten? So haben wir es schon oft gehabt. Gott hat mich bisher immer wunderbar bewacht. Und so hoffe ich, daß er weiterhin seine Hand über mich hält. Nun, lieber Pappi, hab vielen, vielen Dank für alles. Übrigens hast Du meinen bisher längsten Brief aus dem Feldzug bekommen. Wenn Du kannst, schicke mir bitte Zigaretten sooft Du kannst. Es geht immer auf mindestens 7 Kameraden. Briefpapier und vor allen Dingen Umschläge brauche ich auch bald. Alles Gute.
Grüße bitte alle zu Haus herzlichst
Dein Hansi

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top