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Brief (Transkript)

Hans Simon an seine Eltern am 24.04.1941 (3.2002.1288)

 

24.IV.41



Liebes Pappichen!

Heut läßt Dein Ältester endlich etwas von sich hören. Hab vielen Dank für all die vielen Päckchen, die Du mir geschickt hast. Damit hast Du mir viel Freude
bereitet. Hast wohl viel zu tun eben? Na, nun liegen die Ostertage hinter Dir und Du kannst Dich ein bißchen verpusten.
Heute habe ich mit viel Mühe und List ein halbes Pfund Kaffee bekommen können. Auch ein bißchen Kakao und Butter. Will Tuttichen ein bißchen Butter schicken, die wird sich wohl gewiß dazu freuen.
Hier haben wir eben ein paar kalte Tage, die das Wachstum ein bißchen hemmen. Trotzdem habe ich schon Gurken selbst gegessen (Verpflegung) und Erdbeeren werden hier auch schon zum Verkauf angeboten. Und dabei weht eben ein eisiger Wind, BIT. In den Vorstadtgärten sah ich hübsche Steingartenanlagen. Das wären gewiß ein paar nette Anregungen für Dich. Auch sehr schöne kurz gehaltene Ziersträucher sieht man. Heute sahen wir den Film Jud süß. Ich muß sagen, er hat mich bißchen ergriffen. Manchmal wird die Handlung ein bißchen Brutal. Für Muttichen war das bestimmt nichts. Tuttichen schrieb mir sehr nett aus dem Arbeitsdienst und schickte mir ein paar Adressen von ihren Kameradinnen mit, die wie man es sich auch erklären kann, reißend Absatz fanden. Scheint eine lustige Rasselbande dort zu sein.
4. V.
Nun liegen 10 Tage zwischen Anfang und Fortsetzung dieses Briefes. 10 Tage, wo ich nicht einmal Zeit fand zum Schreiben. 10 Tage, die mir viel Schönes brachten. Fange ich an zu berichten. Sage Muttichen bitte vielen Dank für die beiden Briefe, die ich in dieser Zeit bekam und Dir lieber Pappi für die Zigaretten. Habe viel gesehen in dieser Zeit. Am Freitag d. 25. hatten wir einen Zugabend. Es wurde viel getrunken, war aber sonst sehr gemütlich, weil keiner aus der Rolle fiel. Am Sonnabendmorgen bekam ich ein Kommando bis Mittwoch nach Gouda. Das liegt 20 km von Rotterdam, also in der Gegend, wo wir früher lagen. Das Kommando dauerte bis Mittwoch. Ich lag im Privatquartier bei Leuten, die an und für sich deutschfreundlich waren. Sie waren in Rotterdam während des Bombardements gewesen. Ich habe aber trotzdem versucht, den Leuten näher zu kommen, und wir haben uns ausgezeichnet verstanden zum Schluß. Wenn wir auch in zwei verschiedenen Lagern standen. In vielen Punkten habe ich die Meinung der Leute ändern können. Und als ich abfuhr, haben mich die Leute aufgefordert, sie doch bei Gelegenheit wieder aufzusuchen. Bin aber keinen Augenblick von meinem Standpunkt abgewichen. Und ich habe endlich meine Kenntnisse im Holländischen auffrischen können, man verlernt es sonst zu leicht. Die Stadt bot für mich etwas Neues, außer der deutschfreundlichen Haltung, und das waren die vielen Grachten. Neben den Straßen, also in der Mitte der Gracht, rechts und links die Straße und daran die Häuser, oder oft auch so, daß die Häuser an einem Kanal, wie an einer Straße standen. Auf und an den Grachten spielte sich der ganze Umschlagverkehr ab. Und dann konnte man aus den Gesichtern der Einwohner den Deutschenhaß lesen. Warum? Weiß ich nicht und habe es auch nicht in der kurzen Zeit ergründen können. Vielleicht lag es auch daran, daß dort alte Soldaten lagen, die den Zivilkisten nicht die nötige Raison mit Faust oder Waffe beibringen, wie wir hier. Dann kommen wir in unser Quartier zurück und am nächsten Tag ging es auf eine Fahrt nach Amsterdam. Eine Grachtenrundfahrt ließ uns die Schönheit der Grachten und der Stadt erleben. Mit besonderem Interesse habe ich das alte und neue Rathaus betrachtet, den Wohnsitz des Bürgermeisters und die Diamantenschleifereien. Das Ghetto mit dem Flohmarkt erregte unsere Heiterkeit. Dann habe ich mit meinen Kameraden so eine Entdeckungsfahrt kreuz und quer durch die Stadt gemacht. In den Museen waren die Bilder der großen Meister, alle im Keller. Ein Blick ins Kolonialmuseum, und was man sonst so ohne Fremdenführer mitbekam.
5.V.
Ob ich heute mit meinem Brief zuende kommen werde? Heute spielte bei uns auf dem Markt eine Spielschar von der Hitlerjugend. Fein haben die ihre Sache gemacht. Ich habe mich ordentlich dazu gefreut. Und dann die leuchtenden Gesichter. Am Sonnabend, vergaß ich noch zu berichten, war ich als Zuschauer bei einem Fuß- und Handballspiel in Den Haag. Wir haben auch ein bißchen Zeit gehabt uns in der Stadt umzutun. Auch habe ich eben ein halbes Pfund Kaffe, ein halbes Pfund Kakao und ein Paket Seifenpulver besorgen können. In dieser Woche haben wir nun ein wenig mehr Zeit und dann schicke ich das Päckchen ab. Vielleicht habe ich bald Gelegenheit Onkel William und Tante Alice zu besuchen. Schickt mir bitte, wenn es geht, 50 M von meinem Geld, damit ich besorgen kann, was ich noch so brauche, und außerdem sind mir die letzten Tage sehr in den Geldbeutel gegangen. Geht das? Aber gesehen habe ich was in den letzten Tagen!!!! Amsterdam, Den Haag und Gouda., die alte Gegend, wo wir waren. Nun kann ich mir es schon vorstellen, wie es in Venedig aussehen mag. Wenn ich bißchen mehr Zeit habe, schreibe ich Euch ausführlich von Amsterdam. Bis dahin seid alle herzlichst gegrüßt

Dein Hansi

 

 



Ansicht des Briefes

 

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