Brief (Transkript)
Hans Simon an seine Eltern und Geschwister am 24.09.1940 (3.2002.1288)
24.IX.40
Liebe Eltern und Geschwister!
Habe nun lange, das heißt genau 9 Tage, nicht geschrieben. Seid mir bitte nicht böse. Es ging aber nicht. Habe viel Schönes erlebt. War es Gottes Wille? Ein Tag eher zurück und Ihr hättet vielleicht die Nachricht in den Händen, daß ich verunglückt, schwer verletzt, oder sogar ins Jenseits abgerufen sei. Ich kann Gott gar nicht genug danken. Genaueres darf ich Euch nicht schreiben, vielleicht später.
Bin also kerngesund und munter und wieder in unserem alten Quartier. Vielen Dank für den Kuchen, Zigaretten, Tabak, Pfeifchen und die Post. Wie habe ich mich zu jeder Zeile von zu Haus gefreut. Eine Woche lang war ich Gast bei einer Witwe eines Käsehändlers auf der anderen Seite vom Lek (Rhein) von Schoonhoven. Nieuwport liegt auch auf der Seite, dicht vor Rotterdam findet Ihr es auf der Karte. Wie eine Mutter war die Frau zu mir. Beim Abschied hatte sie Tränen in den Augen. Sie war eine echte Holländerin. Mit der Zeit hatte sie mich auch ins Herz geschlossen. Kinder waren ihr nicht beschieden. Beim Abschied meinte sie, ihr Sohn ging fort. Ein Bettchen hatte ich!!! 15 cm tiefer sank ich, so weich gefedert. So ein Bettchen habe ich noch nie gehabt. Dazu einen schönen Waschtisch. Am Abend besuchten uns, oder wir zwei Kameraden aus Nieuwpoort mit ihren 17jährigen Nichtchen und ihrem Bruder, einem "Underweiser", Lehrer, der deutsch konnte. Im übrigen kann ich jetzt einigermaßen Holländisch, das schwieriger ist, als es auf den ersten Augenblick schien. Am Nachmittag saßen wir in einer Glasveranda mit einem herrlichen Blick auf den Leck bei einem "Koppie Tee". Die Holländer sind ein reiches Volk. Also, bei dieser Witwe mit ihrem Hausgeist, einem häßlichen "Maisje" (Mädchen) wohne ich. Am Morgen und Mittag lesen wir gemeinsam ein Kapitel aus der Bibel. Ich las mit aus meiner. Die Frömmigkeit der Holländer ist nicht so aufdringlich, wie die der Katholiken, sondern so, wie ich sie mir zu Luthers Zeiten vorstelle, so natürlich. Holland ist ja halb ev., halb katholisch, wie ich aus dem "Schlag nach" las. Am Sonntag ist der Tag Gott gewidmet. Man geht morgens zur Kirche und im übrigen bleibt man zu Haus. Außerdem glauben die Leute fest, z.B. an die Geschichte mit Adam und Eva. Als wir bei einer Debatte diese Frage anschnitten, lehnten sie alle naturwissenschaftlichen Beweise ab. Nach ihrer Meinung sind die Schreiber des alten Testaments Leute, die göttliche Eingebung besitzen und nie irren können. Als wir ihnen z.B. die Sache mit dem Jesu als Wunder brachten, waren sie sprachlos und wollten nichts davon wissen. Selbst der 25jährige Lehrer. Das ist typisch für die Holländer. Für heute nun alles Gute. Recht herzliche Grüße und viele Grüße für die reichliche Post. Gott mit uns
Euer Hansi
Habe mir eine Armbanduhr gekauft, die alte schicke ich, brauche noch Füllertinte.
Ansicht des Briefes
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