Brief (Transkript)
Hans Simon an seinen Vater am 05.05.1940 (3.2002.1288)
[...], 5.V. bzw. 8.V.
Liebes Pappichen!
Nun sollst Du auch ein paar Zeilen haben, dieweil ich eben noch bißchen Zeit habe; heute abend - ?
8.V.
Drei schwere Tage liegen hinter uns, Sommeübergang. Gegner, englische
Elitetruppen. Erst Schotten und dann ein Infantrieregiment. Zäh, wie ich es noch nicht erlebt habe. Jedes MGnest mußte einzeln genommen werden. Junge Burschen 19,20,21 Jahre, wie wir. Ganz fabelhafte Ausbildung. Und zuf. Artillerie hatten sie auch. Habe auch Bekanntschaft damit machen müssen. 4 m vor mir schlug eine Granate ein. Ein Kamerad vom Geschütz bekam einen Splitter ins Bein. Ein ohrenbetäubender Krach. Luftdruck, Dreck, Erde, Zweige bedeckten uns. Nun schossen die Tommies so, daß sie von vorn nach hinten schossen. Die Granaten kamen immer mehr heran, bis dann die Granate vor uns einschlug. Verdammt genau schießen. Den Einschlägen nach hätte der nächste Volltreffer ins Geschütz sein müssen. Aber Gott hat seine Hand über mich gehalten. Ich hatte schon abgeschlossen und Euch die letzten Grüße hinüber geschickt. Es war am Abend. Nun konnten wir dem Kameraden nicht so helfen, wie ich wollte. Haben ihm den Stiefel aufgeschnitten, die Hose auch, ein Verbandspäckchen daraufgelegt, damit er nicht zuviel Blut verliert. Und dann konnten wir ihn nicht so schnell wegschaffen, wie wir wollten. Eine Stunde hat er liegen müssen. Furchtbar, was? Das Dorf, an dessen Rande wir lagen wurden wir weiter beschossen und die Fahrzeuge, die wir vorn hatten, waren durch Granatsplitter nicht mehr fahrbereit. Reifen kaputt usw. Diese Batterien haben wir am nächsten Tag unschädlich gemacht. Im Wald lagen 6000! abgeschossene Kartuschen. Die hatten uns viel Kopfschmerzen gemacht. Vor allem konnten wir uns nicht eingraben, weil es Kreideboden war. - 2 Panzer habe ich nun nachmittags vorher abgeschossen. Einmal sind wir dem Tommy in die Falle gegangen. Wir gingen gegen ein Dorf vor. Um Opfer zu sparen, gingen zwei Kompanien rechts, bzw. links in das Dorf herein. Das wußten wir nicht. So in der Mitte, wollten durch das Dorf durch. 100 m davor bekommen wir verdammt genaues Feuer von allen Seiten. Nun ist das Gemeine, daß die Tommies und Franzosen mit ihren MGs Mündungsfeuerdämpfer haben, sodaß man das Mündungsfeuer nicht sehen kann. Trotz allem sahen wir in einem Baum das Zielfernrohr von einem Baumschützen. Ich setze einen Schuß hinein mit der Pak. Aber da lagen wir alle gleich so flach auf dem Boden, als wenn wir uns hineinpressen wollten. Ein Feuer setzte ein. (Wie es sich später herausstellte, war ein Bataillon (1200 Mann) drin.) Da wollten wir nun mit dem Geschütz durch, ganz allein. Es knallte nur so gegen unser Panzerschild. Ein paar Kugeln pfiffen unten durch. Einer von uns bekam nun durch den Stiefel und den zerriß ihm die gleiche Kugel die Hose am Podex. Außer einer kleinen Verbrennung war ihm nichts passiert. Da wurde es uns zu mulmig, vor allen Dingen; weil wir ohne Infantrie waren. Wir gehen hier gar nicht mal so dicht vor, wie ich dachte. Gestern haben uns noch mal die französischen Bomber und Jäger beharkt. 2 hat unsere Flak abgeschossen.- Wir haben einen kleinen Kofferapparat gefunden. Nachts um 12 hören (wir) den Deutschlandsender. Sonst ist es schlecht mit dem Empfang deutscher Sender. Ab und zu hören wir aus Holland deutsche Musik. Wie schön ist es doch, wenn man sowas aus der Heimat hört. Was Ihr mir schicken könnt, sind Filme, Zigarretten und eine Karte von Frankreich. Eigenartig, wie schnell der Wechsel vom, Leben und Tod, möchte ich sagen. Eben liegt man im Feuer. Ein paar Stunden später liegt man bißchen weiter zurück hinter vordersten Linie als Dorfsicherung bei einem Haus. Kocht, brät, und die Fahrzeuge kommen nach. Dann hört man Musik und Lachen. Nun ist das ein langer Brief geworden. Die Kameraden schlafen alle. Wir haben bitter Schlaf nötig. Beinahe bin ich so, daß ich übermüdet bin und nicht schlafen kann. Nur wollte ich Euch ein Lebenszeichen schicken. Habe mich nur durch Zigarretten wachgehalten. Hoffentlich schadet mir das Rauchen nicht. Was soll man machen, wenn man so müde ist und wachen muß, bzw. eben schreiben muß. Ihr macht Euch sonst zu große Sorgen. Mein Leben liegt in Gottes Hand. Er hat mich oft beschützt. Und trifft es mich, dann hat es sollen sein. Und ohne Opfer ist der Sieg nicht zu erringen.
Würde Euch gerne noch viel schreiben, muß aber unbedingt schlafen. Schreibt bitte Tutti, wie es mir geht. Ich kann ihr nicht immer schreiben. Grüßt bitte Paegelows und sagt, ich ließe vielmals für den Rum danken, habe ihn beim vorletzten Sturm bei La Passee(?) schön gebrauchen können. Hoffentlich lebt Zanner noch. Nun wollen wir Gott für alles danken. Betet weiter für mich. - Hätte gern ein kleines Büchlein zum Lesen mit schöner Sprache. Vielleicht Goethes Gedichte, oder Walter Flex, Wanderer? etc. Muß aber klein sein. Grüßt bitte alle.
Es denkt oft an Euch Euer
Hansi
Gehen jetzt weiter Franzosen vor uns. Ersatzregiment, schwarze Jungen. Nicht zäh wie Tommis, Haben es leichter.
Ansicht des Briefes
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