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Brief (Transkript)

Hans Simon an seine Eltern am 20.11.1939 (3.2002.1288)

 

Sch. d. 20.XI.39



Mit großer Freude las ich heute Deinen Brief. Es tut mir Leid, daß es Dir so schlecht geht. Hoffentlich wird das bald besser. Ich bin in den letzten Tagen kaum zur Reihe gekommen. Gestern habe ich geschrieben und heute schreibe ich schon wieder. Wahrscheinlich kommen wir in den nächsten Tagen nach Hennef ins Quartier, weil die Jäger, Zanner ist auch dabei, schon abgerückt sind. Wir werden wohl auch bald abmarschieren. Überall sind hier schon Truppen in Bewegung. Soviel ich erfahren habe, haben wir, wenn wir abmarschieren, zwei Tage festes Quartier und dann gehts wohl unter freien Himmel, wie der Spieß mündlich sagte. Schätze also Eifel. Brrr kalt!!! Sollten wir nach Hennef kommen, so tut mir mein Geld leid. Es ist sowieso knapp. Im übrigen kenne ich die Tochter des Hauses, wo Zanner einquartiert war, gut. Die werde ich dann besuchen. Ein fideles Haus und ein so anständiges Mädchen. Die letzten Tage, bevor wir in die kalte Eifel oder sonst irgendwo hinkommen, wollen wir noch ausnutzen. Wer weiß, was uns später blüht. Wir haben unsere Heimat nicht verlassen. Mir tut es Leid, daß Frau Paegelow sich so Sorgen macht. Deswegen habe ich Euch in der letzten Zeit sehr oft geschrieben. Täglich mindestens einmal, manchmal sogar am Vor- und Nachmittag. Es freut mich, daß ich gerade in der Zeit so oft schrieb, wo Du Dich nicht ganz so wohl fühltest. Frl. Meyer will ich auch mal schreiben. Sonst habe ich wohl beinah allen Bekannten geschrieben. Wie ist die Adresse von Onkel William? - Hauptsache ist, daß zu Haus die gute Stimmung nicht verloren geht. Versucht doch wieder zu singen. Gestern hörte ich im Wunschkonzert von einem Kinderchor gesungen ein Lied: Nun wollen wir singen das Abendlied ----. Mir klang noch immer Winnis Stimme im Ohr. Wie schön war es doch, wenn wir zu Haus dies Lied sangen! Auf Urlaub komme ich wohl nicht so bald, und selbst wenn ich in den nächsten Tagen das Angebot kriegen sollte, so werde ich wohl zugunsten meines Kameraden verzichten, bei dem zu Haus die Wirtschaft schwer durcheinander ist und der nicht so gut angeschrieben ist. Das verlangt die Kameradschaft. Leicht wird es ja nicht. Stell Dir vor, auf seinem Bauernhof ein alter Vater. Die Leute alle eingezogen auch viele Pferde und dann mehrere Arbeiter. Da muß doch der Sohn nach dem Rechten sehen? Vielleicht verstehst Du das? Frau Paegelow will ich versuchen auch zu schreiben, auch dem Paul. Ach wie leidet er, daß er nicht mit der Waffe sich in den Dienst des Vaterlandes stellen kann. Mutti, kannst Du mir alte Zeitungen, die Du wirklich nicht verwenden kannst, schicken. Wir haben nicht mehr genug Zeug zum Geschirrreinigen.
Erzähl aber bitte niemanden etwas. Auch alte Säcke, ich meine Stücke davon, kann ich gebrauchen. Dann habe ich noch eine Bitte. Wenn Ihr schreibt, so schreibt mir bitte das Datum von den Briefen, die Ihr bekommen habt auf. Möchte gern wissen, wie lange ein Brief von hier zu Euch braucht, und welche Briefe Ihr schon bekommen habt. Was macht unser Hund? Übrigens bin ich jetzt als Gasspürer und Entgifter ausgebildet. Also, wenn wir in vergastes Gebiet kommen, fällt mir die Aufgabe zu, den verseuchten Abschnitt festzustellen und zu entgiften. Das heißt eine Gasse zu bahnen durch das verseuchte Gebiet. Ein Himmelfahrtskommando. Ich habe schon einen Gummianzug dazu. Na, ich will mich mal knipsen lassen. Toll sehen wir aus. Da unsere Haut nicht durch Gummi atmen kann, entstehen Atmungsschwierigkeiten. Alles nicht so uns doch tut man alles gern für sein Vaterland, wenn Ihr nur gesichert seid. Ein Gaskrieg ist wohl etwas furchtbares. Glaube aber kaum, daß der Gegner Euch in der Heimat mit Gas begasen wird. Es lohnt sich nicht. Auch ist das nicht so gefährlich für Euch. Ihr braucht nur in die Luftschutzkeller. Baut den gut aus! Es kann nicht schaden. Es wird in der Heimat nur eine moralische Wirkung sein. Die Front wird durchhalten, wenn nur die Heimat auch stand hält. Außerdem habt Ihr den See in der Nähe. Glaube nicht, daß Ihr viel mit Gas bedacht werdet. Gerne würde ich Euch besuchen. Na, wird schon alles werden. Hoffentlich geht es Dir bald besser, liebe Mutti. Eben ist ja auch eigenartiges Wetter für Deine Krankheit. Nun Muttichen, ich muß bald ins Bett und Winni soll auch noch paar Zeilen haben.
Gott befohlen Dein Hansi

 

 



Ansicht des Briefes

 

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