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Brief (Transkript)

Hans Simon an seine Eltern am 10.10.1939 (3.2002.1288)

 

(10.) X. 39



Liebe Eltern!

Heute am Sonnabendabend möchte ich doch nach Haus schreiben. Es ist richtig Wochenendstimmung bei uns. Auf unserem Tisch, eine eingedrehte Schultafel: stehen zwei Karbidlampen und 3 Kerzen, die wir heute aus Ostpreußen geholt haben. Sie tragen zur feierlichen Stimmung bei. Im Ofen bullert das Feuer. Ein erbeutetes Gramophon spielt Ersatz für Radio oder andere Musik. Wir haben sogar einige schnittigen Platten, nur mit Barnabas, leichte Kavalerie und anderes mehr. Außerdem gab es frischen Tee mit Rum und Bier, kann in beschränkter Menge gekauft werden. So ist alles fröhlich und gemütlich beisammen. Zum ersten Mal in Polen ist es hier so gemütlich. Beinahe, aber bis ein großes Fest wurde. Ich bin so glücklich, heute im Besitz von 2 Filmen und 5 Briefbogen mit 5 Umschlägen zu sein. Aber was sind 5 Briefumschläge. Da wir eben bißchen mehr Zeit haben, schreib ich eifrig. Gestern schrieb ich Paul und Tutti. Neulich schickte mir Frl. Senst eine Tafel Schokolade, die erste in Polen. Ich habe auch gleich geantwortet. Auch Fiti schreib ich. Hoffentlich ist Costing nicht bös, wenn ich ihr nicht immer besonders schreibe. Es ist zu umständlich und ich habe so vielen Leuten zu antworten, daß ich ihr erst einmal geantwortet habe. Ich schreibe Euch aber allen zusammen zu Haus. Ach, welche Freude muß es sein, wenn ich erst zu Haus bin. Eben gab es Post. Jetzt haben wir schon täglich Postzustellung. Herr Dahnke hat mir geschrieben. Ich habe mich sehr dazu gefreut. Durch Costing soll er meine Anschrift erfahren haben. 2. X. Gestern erhielt ich Euer Päckchen. Wie habe ich mich gefreut. Die Rase, die Bonbons etc. Winfrieds Brief und Eure lieben Zeilen. Am Sonntag kam das Päckchen gerade an. Als ab Ihr es gewußt hättet, daß das Päckchen am Sonntag ankommt. In den nächsten 'Tagen werden wir wahrscheinlich hier wegkommen. Wohin es geht, weiß ich nicht, schätze Rostock oder Westen. Wir können auch auf irgendeinen Truppenübungsplatz kommen. Jedenfalls sollen wir hier fortkommen.
So, liebe Eltern! Heute war ich in der Zeitung, wie alles bei Euch mitgeteilt ist. Da seht dach bitte von allen Eßpaketen ab. Ich schrieb einmal, daß ich gerne Schokolade usw. haben würde. Es gibt bei Euch heute keine Inselschokolade mehr zu kaufen und wir fordern. Braucht Winfried oder Ihr es nötiger, daß wir nichts [...] in dieser Beziehung, dafür wird gesorgt. Außerdem haben wir während des Feldzuges sogar Beute gemacht. Als ich die Sachen aß, hatte ich eigentlich ein schlechtes Gewissen. Ich dachte, du ißt deinen kleinen Leuten die Milch weg, aber davon abgesehen. Ich hatte mich sehr dazu gefreut. Habt also vielen Dank. Zu Essen haben wir reichlich. Heute gab es für jeden ein rohes Stück Karbonade, das wir uns selbst braten konnten.
Morgen haben wir ein Platzkonzert von unserer Kapelle. Was man alles für uns macht. Und wir haben doch auch nur unsere Pflicht erfüllt, genauso wie Ihr in der Heimat. - Übrigens, wenn Euch dieser Brief erreicht, bin ich vielleicht schon in Rostock. Wer weiß aber, wielange wir in Rostock bleiben, oder ob wir dort hinkommen, dann geht es wohl nach Westen.
Vielleicht geht es wieder an den Feind. An unserem Schicksal können wir doch nichts ändern. Gott hat alles in seiner Hand, damit muß man sich abfinden. Hoffentlich können wir unseren Freiheitskampf, der soviel Blut gekostet hat, zu einem siegreichen Ende führen. Koste es, was es wolle. Einmal müssen wir der Welt zeigen, daß wir uns nicht alles bieten lassen.
Gott schenk uns das! Jetzt können wir den Engländer und Franzosen zeigen, wer wir seit 1933 geworden sind. Die Aktien stehen günstig für uns. Jetzt müssen die Engländer wählen. Schade nur, daß wir dieses deutsche Blut vergießen müssen. Alles Gute Hansi. Grüßt bitte alle.

Heute schrieb mir Tutti und legte mir eine Tafel Schok. bei, mit einem roten Band und einem Blümchen. Wie habe ich mich gefreut. ran freut sich zu jedem kleinen Gruß aus der Heimat. O, könnte ich doch jeden so antworten, wie ich wollte! Leider geht das nicht. Tutti wünsche sich ein frohes Wiedersehn zu Weihnachten mit mir. Was kann in dieser Zeit alles passieren? Habt vielen, vielen Dank. Leb_ wohl.
Euer Hansi
Morgen schicke ich 20,-. (ich brauche sie eben nicht).

Lieber Winfried. Wie stolz bin ich auf meinen Winfried! Ich habe mich sehr zu Deinem Brief gefreut. Die Polen haben wir gejagd. Viele sind gefangen, auch Pferde. Ich habe mich auf ein Pferd gesetzt, mit der Pistole in der Hand hinter Polen her. Hatten die Angst! Auch Du wirst einmal Soldat. Darauf freust Du Dich wohl schon? Wenn wir die Engländer kaputt haben, komme ich wieder, hoffentlich heil. Mach Deinen Eltern Freude Dein Hansi

 

 



Ansicht des Briefes

 

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