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Brief (Transkript)

Mutter an Hans Stock am 31.01.1944 (3.2002.1217)

 

19.


31. I. (1944)Mein lieber Hans,

nun bin ich aus Bln. zurück, totmüde. Vater sitzt noch in Angermünde u. wartet auf seinen Anschluß. Wie fuhren zusammen los, schwerbepackt. Die letzten 3 Angriffe auf Bln. waren sehr schwer. Von Freitag zu Sonnabd. überall gr. Schaden. Verkehr unterbrochen, von Donnerstag zu Freitag auch schon. Ein Tohuwabohu u. die Menschen mit Bienenfleiß alles wieder heilgemacht. Ein furchtbarer + gegen Abend aufgeregter Betrieb überall. Gestern war ich mit Vater bei Truschi, um 8 Uhr Alarm. Da draußen merkte man nicht so viel. Heut früh aber ging die Rückfahrt schön los. Erst mit D-Zug, dann pendeln mit S Bahn bis Schöneberg (dauerte 2 Std.) dann aus! Dann mit Lastwagen usw. durch die noch brennenden Straßen bis Potd. Platz, von da normal. Im Ganzen genau 4 Std. Und Ausblicke! Unbeschreiblich! Berlin ist eine Trümmerstätte, es rauchte + qualmte u. eine trostlos verstörte Menschheit dazwischen, die ihr bisschen Habe rettet. Als wir stehend auf Lastkraftwagen fuhren, hätte man 10 Augen haben müssen, um diese Bilder für ewig in sich aufzunehmen. Hängende Straßenbahnnetze, Motorpumpen, Spritzen, Feuerwehren, Rettungsmannschaften, Buddler, u. diese Menschen. Ein Kutscher freute sich über sein wieherndes Pferd, „weil wenigstens einer lacht“ Die Brücken + Bahnlinien, Hochbahn Gleisdreieck usw. furchtbar. Die Bahnhöfe. Und trotzdem werden unheimliche Menschenmassen hin + hertransportiert. Der Arbeitsausfall, der entsteht muß schwer fühlbar sein. Und man fragt sich wirklich, wie das weitergehen soll. Man weiß es beim besten Willen nicht. Und unser Haus steht. Überhaupt ist Pankow noch ziemlich verschont (im Verhältnis) Kalli sind wieder so viele Leute weggeholt, daß er die Bildstelle schließt + wahrscheinlich nach Bln. kommt. Sie zweifeln hier, ob die Stichn. Sache überhaupt durchkommt, jetzt wo sie jeden Mann [gestrichen unleserlich] holen. Also ziehe Deine Konsequenzen. Vielleicht hast Du es schon. Deine Grüße habe ich überall bestellt u. alle lassen Dich sehr herzlich grüßen u. Dir Hals + Beinbruch wünschen. Mit A. habe ich telefoniert. Er grüßt, ich las Teile aus D. Brief vor. Beinah hätten wir uns gesehen aber die Schwierigkeit mit den Zügen machte es unmöglich. Er hat jetzt eine kl. Wohnung u. ist auch heut schon bombengeschädigt mit Fenster raus u. Dach ab. Er möchte raus aus Berlin. Das möchten viele. Heut im Zuge sagt ein Russlandkämpfer eine Frontschlacht sei weniger gefährlich + aufregend. Das sagen viele. Ännchen + Olli sind ja auch schon ganz schön durchgedreht. Karl ist gestern auf Bombenurlaub gekommen (Knesebeckstr. 111 ist weg) (Schade, daß Du nicht in der Lage bist, wie er) u. heut Mittag kam er mit Ollimatz zu uns zu einem prima Kaffee von Dir. Es war sehr nett fand ich. Olli sah die Räuberhöhle zum ersten mal. Für den Tee mit Brief dankte sie Dir herzlich u. will schreiben (+ hoffentl. auch was schicken.) Ach mein Julek was soll ich weiter wünschen, als daß es Dir weiterhin gut gehe u. gute Geist seine hand über Dich halte, damit wir später alle nochmal glücklich sein können. Ich bin so müde + die Augen brenne vom Qualm. Sei gegrüßt, gestreichelt, getröstet u. recht lieb umdacht von
Mutter.

Kekse sind unterwegs

 

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