Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hans Stock an seine Familie am 24.12.1943 (3.2002.1217)

 

74.

In Italien, Heiligabend 1943



Liebe Eltern, Eva und alle anderen!

Heute ist also Weihnachten. Was werdet Ihr tun, und was wird bei Euch los sein? So denke ich und Ihr denkt, was wird er machen, wo wird er sein? Habe es mit meinem Glück noch zu verhältnissmässig gemütlichem Heiligabend gebracht. Ich bin immernoch hier. Der Feldwebel schickte mich neulich noch mal rauf zum Gefechtsstand, mich zu erkundigen, was denn nun mit mir werden sollte, denn er fürchtete sich offenbar, einen Anschisss zu bekommen, weil ich dort bei ihm so lange herumsitze, wo man doch vorne jeden Mann braucht. Im strömenden Rieselregen fuhr ich also wieder rauf zum Gefechtsstand und überlegte mir die ganze Fahrt über, wie ich es anstellten sollte, möglichst wenig Wirbel zu machen oder mich gar in deren Erinnerung zu bringen. Ich nahm mir also einen Brief, den ich dort auf der Schreibstube abgab, und unter diesem Vorwand ging ich überhaupt nur rein, und so ganz hintenrum erfuhr ich dann alles, so wie ich es wollte. Eins, zwei, drei war ich wieder draussen. Und zufrieden konnte ich unten erzählen, dass ich eben noch da bleiben sollte, bis ich abgeholt werde. Der Feldwebel hatte aber immer noch Angst, man könnte ihm an den Wagen fahren, und um diese Verantwortung von sich abzuwälzen, schickte er mich eine halbe Stunde weiter zur Stabskompanie. Auch meldete ich mich so, dass ich gleich wieder in der Versenkung verschwinden konnte. Man sieht mich nur beim Essenholen. Weder Wache noch Arbeitsdienst stören mich. So bin ich jetzt also hier bei der Stabskompanie, werde aber nachher, wenn es dunkel wird, wieder rüber gehen, denn da ist es gemütlicher; es sind Sofas und Sessel dort, auch Radio und nette Leute. Der Grund zum Dorthingehen liegt darin, dass die meine Marketenderwaren noch mitgeschickt bekamen (um die ich übrigens schwer gekämpft habe, denn ich war ja Anfang des Monats nicht hier, wo die Iststärke gezählt wird.) Als Marketenderware gibt es 120 Zigten, 10 Zigarren, 2 Päckchen Tabak, ein paar Feigen, ein paar Mandeln, Rasierklingen und noch so Kleinigkeiten. Dazu etwas Schnaps, der sich ja nicht anders teilen lässt als wenn ich eben mittrinke. Dann gab es heute zur Verpflegung noch kleine Pfefferkuchenherzen, Äpfel, Orangen und 40 Zigten, womit ich bisher sehr knapp war. Und eine Weissbrotstolle, zwei Rollen Drops und eine Rolle Keks. Die vorne kriegen noch schön Schokolade und Schnaps extra. Ganz schön alles. Man hat einen richtigen Heisshunger auf alle solche Dinge. Nun habe ich noch die Vorfreude auf meine Post und Päckchen. Hoffentlich ist bis dahin nichts schlecht und ungeniessbar. So werde ich also Weihnachten auch etwas in Frieden verbringen. Mit der Post muss ich ja nun noch eine Weile warten. Ihr habts da besser, Ihr werdet auf dem Laufenden gehalten. Aber dafür werde ich wohl nachher gleich zwei Briefe kriegen, das ich zwei Tage zu lesen haben werde. Das Wetter ist seit zwei Tagen regnerisch. Auch jetzt regnet es und draussen ist dicker Matsch. Ein eigenartiges Weihnachtswetter. Voriges Jahr um diese Zeit fuhr ich jetzt von Schönwalde weg zu Oehlmanns, wo Ihr alle beisammen wart. Wie wird es wohl nächstes Jahr bei uns? Jetzt grüsst Euch alle Euer Hans.
Übrigens heute schiessen und fliegen heute die Amerikaner nicht.

 

top