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Brief (Transkript)

Hans Stock an seine Mutter am 10.09.1943 (3.2002.1217)

 

am 10.9.43.


Liebe Mama!

Neulich wurde ich aus dem Albergo geholt. So ganz plötzlich. Als ich ins Lager kam, wurde alles gepackt. Ihr werdet jetzt wissen warum. Wir schliefen angezogen wie immer, und um 12 begann meine erste Kampfhandlung. Die dort liegenden Alpinis wurden entwaffnet. Wir umzingelten mit schwachen Kräften ihre Lager. Dabei lagen wir mit den MG an einer Stelle, die die Italiener als Latrine benutzten. So lag ich also im wahrsten Sinne des Wortes das erste Mal in der Scheisse. Wir stanken nachher wie die Hupatze und waren braun lackiert. Die Sache aber machten die Offiziere ab, und die italienischen Landser waren ganz aus dem Häuschen und schmissen ihren ganzen Kram freudig auf Haufen. Wir haben also nicht in Aktion treten zu brauchen, aber mir war klar, das sie sich nicht verteidigen würden. Dann ging es nachts mit dem ganzen Kram weiter in ein herrliches Tal östlich von unserem. Im Morgengrauen kamen wir dort an. Auch hier dasselbe. Grinsend zogen sie an uns vorüber, sagten „gut“ und feuerten ihre ganzen Klamotten in einen Schuppen. Eine Stunde später zog ein grosser Teil in Zivil eigenmächtig nach Haus. In dem Schuppen holten wir uns dann (als erster ich) Büchsen mit Fleisch und Hartzwieback. Es war natürlich verboten, aber es schmeckte gut, und wir waren nach je zwei Büchsen schön satt. So ging die Entwaffnung weiter, und wir machten in einem Städtchen in diesem herrlichen Tal Quartier. Es fängt wie Brixen und Bozen auch mit B an. Nach der üblichen Hin- und Herlatscherei bis das Quartier festgelegt war und nachdem die Waffen gereinigt waren, hatten wir dann Ausgang. Es ist ein ganz entzückendes Städtchen hier. Die Architektur dieser Gegend ist ganz nach meinem Geschmack. Wenn man doch bloss Ruhe hätte, alles schön anzusehen. Heute haben wir keinen Dienst gehabt. Jetzt sitze ich im Albergo und habe eben die Führerrede hinter mir. Viel wars ja nicht. Dafür tut sich allerhand anderes. Eben höre ich von der Landung in Neapel und Genua. Aber Duce und Führer werden es schon machen. Heute sind die Italiener, Offiziere und Mannschaften, nach Deutschland gekommen. Sie sind alle zufrieden. Ich komme jetzt also erst später zum 1. Zug. Die rein deutsche Bevölkerung dieses Städtchens ist ganz verrückt vor Glück. In den Schaufenstern hängen Hitlerbilder mit Blumen. Vom jetzt so wichtigen Weltgeschehen höre ich hier fast gar nichts. Post wird jetzt auch schwer kommen. Ich habe eben Forelle mit Frites gegessen. Ausserdem habe ich heute meine letzten 130 RM in Lire getauscht. Bei einem ital. Offizier, der nach Deutschland kam. So habe ich jetzt fürs halbe Geld und kann mir alles leisten. Zu der Uhr langt es aber noch nicht. Ich glaube, wir werden jetzt bald in [...]

 

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