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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 16.06.1918 (3.2012.2822)

 

An meinem 22. Geburtstag
Sonntag, 16. 6. 1918.


423.

Meine Lieben!
Einen so herrlichen stimmungsvollen und glücklichen Geburtstag habe ich schon lange nicht verlebt. Die Welt hat heute ein ganz anderes Gesicht für mich, wiewohl es heute gerade recht trüb und – Gottseidank – regnerisch ist. Ich hatte es ja fein eingerichtet,daß mein Geburtstag in diesem Jahre gerade auf einen Sonntag fallen mußte. Da wir nicht in Stellung liegen, haben wir die Möglichkeit, den Sonntag zu heiligen, so ist der Mensch von vorne herein festlich gestimmt und legt mal die Alltagsarbeit und kleinen Sorgen ein wenig bei Seite. Ich wollte mir den eigentlichen Geburtstag frei von Verpflichtungen halten, so verlegte ich den unvermeidlichen „Abend“ auf die vergangene Nacht und habe den heutigen Tag ganz für mich und mein Glück. Gestern Vormittag zog ich herum, lud sämtliche Herrn des Bataillons, einschl. Chef, zu einer Erdbeerbowle ein, entdeckte dann glücklich in der Kantine ein willkommenes Faß Bier, das ich schleunigst erstand, ins Kasino schaffen und mit Grün und Blumen festlich schmücken ließ. Um 8 Uhr traten 7 Leute meiner Kompagnie im Stahlhelm an, ich ließ sie in meine Bude treten und heftete jedem das Eiserne Kreuz an die Brust. Ich glaube gewiß, daß meine eigene Freude dabei um nichts geringer war, als die der braven Lipper, die, sämtl. verheiratet, seit beinahe 4 Jahren treu und tapfer ihr Bestes hergegeben haben. Die freudigen Gesichter vergesse ich nicht, als ich jedem die Hand drückte und dann noch einer vortrat und mir in schlichtesten Worten Glück zum Geburtstag wünschte. Ich merke immer mehr, daß meine Leute Vertrauen zu mir haben, wenn sie mich immer anlachen, sobald ich zu ihnen trete und alle so freudig und willig meine Befehle ausführen, und ich bin unendlich glücklich darüber. - Im Kameradenkreise wurde ich dann sehr gefeiert, herrliche Blumensträuße und eine hübsche Rede des Bataillonsarztes - „wir alle wünschen, daß unser lieber Panzer einmal schöne Erinnerungen in seinem geologischen Rucksack nach Hause tragen möge - “ - verbunden mit Klavierspiel, Quetschverschnitt[?], Heeringsbrötchen und alkoholfreistem aber recht gutem Bier machten die Feier wohlgelungen. Leider wurde sie jäh abgebrochen durch den plötzlichen Befehl erhöhter Gefechtsbereitschaft, wo natürlich alle Herrn zu ihren Kompagnien mußten. Wir, die wir im Bgr[?] zu Hause sind, gingen dann auch bald zu Bett. - Heute um ½ 8 trat zunächst mein treuer Nix ans Bett, wünschte mir Glück und stellte mir einen herrlichen Blumenstrauß auf den Schreibtisch, den er hatte binden lassen, überreichte mir dann noch ein reizendes Federhaltergestell aus gebeiztem Zigarrenkistenholz, das er nach seinen eigenen Angaben u. Zeichnungen vom Kmp. Schreiner hatte anfertigen lassen. Dann kam der Feldwebel mit einem prächtigen Blumenstrauß u. beglückwünschte mich im Namen der Kompagnie, der zweite Batl. Arzt, in dessen Zimmer eine Türe von mir rüber geht, kam im Stahlhelm, Glaceehandschuhen und – Filzpantoffeln zum Glückwünschen, dann aß ich meinen Kuchen, der schon vor einigen Tagen gekommen war setzte mich gemütlich an meinen Schreibtisch und jetzt kam die eigentliche Bescheerung, indem ich alle Eure lieben Briefe las und in Gedanken ganz zu Hause war.
Habt einstweilen vielen vielen 1000 innigen Dank dafür. Ich will Euch allen einzeln danken u. antworten, muß leider zum Batl. zu einer […]. Führer[?] Besprechung. Also heute Nachm. weiter
1000 herzl. Grüße Euer Euchl. glücklicher Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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