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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 30.05.1918 (3.2012.2822)

 

H. bei Lille 30. 5. 1918.


417.

Meine Lieben!
Das Wandern ist nicht nur des Müllers Lust, sondern auch des Meiers, Schulzen, Schmidt und Panzers. Gestern Abend saß ich noch nichts ahnend in meinem Unterstand und ließ mir allerlei Gefangenengedanken durch den Kopf gehen, heute Mittag rastete ich bereits mit meiner ganzen Kompagnie unter herrlichen Pappeln, wie sie so schön nur in französisch Flandern wachsen können, aß aus der Feldküche und ließ die Pferde am Wiesenrain weiden, da sie einen ordentlichen Marsch hinter sich hatten. Lächelnd strich ich in meinem Notizbuch, was gestern noch von größter Wichtigkeit gewesen, als „erledigt“ zwei- und dreifach durch, darum muß sich mein Nachfolger sorgen. Wir gehen neuen Taten entgegen. Vor der Mittagspause ließ ich meine Leute antreten u. brachte ein Hoch auf den Fürsten zur Lippe aus, der heute seinen 47. Geburtstag feiert. Anläßlich dieses Ereignisses sind wir 5 Kompagniescheichs beim Hauptmann heute Abend zum Essen geladen. Es wird eine ganz nette Feier werden, die Regimentskapelle ist auch dabei, mehr kann man nicht verlangen. Meine Kompagnie ist h ---
31.5.1918. Ich wurde plötzlich unterbrochen durch einen unerwarteten Besuch, mein alter Freund aus Orschweier, Oberlehrer Robert Protz besuchte mich! Das war natürlich eine Freude des Wiedersehens nach 2 Jahren Trennung (in Cleve hatten wir uns zum letzten Mal getroffen.) - Ich mußte dann gleich weg zum Bataillon. Zum Essen war auch unser neuer Regimentskommandeur Maier Bedeker geladen. Er scheint ein sehr angenehmer ruhiger Herr zu sein. Wir saßen bis nach 1 Uhr bei Wein u. Bier gemütlich zusammen, die Kameradschaft im II. Batl. ist ja glänzend und ist voriges Jahr in Galizien geradezu sprichwörtlich u. vorbildlich für das ganze Regiment geworden, da das Offizierskorps im II. Batl. am wenigsten Veränderungen erfahren hat. - Heute Nacht habe ich in meinem französischen Bett köstlich geschlafen, zum zweiten Male, daß ich während der „großen Schlacht in Frankreich in weiße Linnen gebettet lag!
- Gestern brachte mir die Post zu meiner großen Freude gleich 2 liebe Paketchen von Euch, das eine mit Hemd und irrexprerribles[?] und das andere mit den nicht minder willkommenen süßen Sachen. Habt vielen vielen 1000 Dank für die köstlichen Dinge, die ich mir nach Kräften schmecken ließ.
Wir haben immer noch das herrlichste Sonnenwetter mit blauem, weißwolkigem Himmel und vielen Fliegern darin, schwarz-weißen u. blau-weiß-roten, die wie die Schwalben durcheinander segeln u. oft wie Icarus enden!
- Im Gefangenenlager habe ich vorgestern einem Portugiesen, der leidlich französisch sprach, von unserm neuen großen Sieg in der Champagne erzählt u. von den vielen Gefangenen, da freute er sich natürlich u. meinte, daß der Krieg nun bald zu Ende wäre. Auch ein Engländer vernahm\'s mit ziemlicher Genugtuung, als ich ihm sagte, es seien Franzosen und Engländer gefangen worden. - Nun hört das schöne Sprachstudium leider wieder auf u. wir fahren neuen Taten entgegen.
Einstweilen 1000 hrzl. Grüße Euer Euchl. Wolf.
[linker Rand: Stenografischer Satz]

 

 



Ansicht des Briefes

 

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