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Brief (Transkript)

Wolfgang Panzer an seine Eltern und Geschwister am 01.01.1917 (3.2012.2822)

 

113.

Im Schützengraben, den 1. Januar 1917.



Meine Lieben!

Wieder hat ein neues Jahr angefangen und immer noch stehen wir mitten im Krieg, ohne sagen zu können, bis da und dahin muß er ein Ende haben. Aber der 30 jährige Krieg hat schließlich auch einmal aufgehört, und so wollen wir\'s schon in Geduld tragen. Vielleicht kommt der Frieden mal ganz plötzlich: „Wenn der Frieden ausbricht“ sprechen wir immer.
Meinen Silvesterabend und Neujahrsmorgen habe ich recht beschaulich verlebt. Gestern Nachmittag habe ich erst mal feste Dankbriefe geschrieben, dann mit den Freunden in meiner Bude Kaffee getrunken u. gelieferten Stollen gegessen, der aus Kantinenersparnissen für Offiz. und Mannschaften gebacken worden war. Dann setzte ich mich recht behaglich hinter meinen Tisch, stellte das große Paket mitten drauf, die Ölhülle fiel, der Deckel hob sich und „ah“! was für herrliche Sachen kamen da zum Vorschein! Ich glaube, Ihr hättet Euch selber alle gefreut, wenn Ihr gesehn hättet, wie ich mich beim Auspacken gefreut habe. So eine Weihnachtsbescheerung im Schützengraben! Der Mörike und das Feuerzeug und der Kosmoskalender und die Gutsle und das Dürerbuch und der Abreißkalender und der hohe Orden, dazu der riesenherrliche Weihnachtsstollen und das Briefpapier, das bunte Kissen, ich werde ganz schlafbedürftig wenn ich nur dran denke, ich war selig einfach! Habt nur alle miteinander vielen vielen tausend Dank für Eure reichen mit so viel Liebe geschenkten Gaben. Ihr habt mir eine unendlich große Freude damit gemacht. Über den Mörike bin ich einfach ganz entzückt. Ich habe ihn schon immer sehr gern gehabt, jetzt werde ich ihn über alles schätzen. Und wie gut geht das zusammen mit Maschle\'s lieber Arbeit, die mich vollständig überrascht hat. Ich hatte zwar Maschle mal geschrieben, ich hätte gerne die Vorschrift[?], die Sache kam mir aber aus dem Sinn, sodaß ich auch nicht im geringsten mir denken konnte, was eigentlich der […] Riesenumschlag enthielte, bis eben die Enthüllung am heiligen Abend das Rätsel löste. Damals schälte ich auch zu meiner nicht geringen Freude die Polarvölker aus ihrem Umschlag. Es ist gerade, als ob ihr alles haarklein gewußt hättet, was mir so eine rechte Freude machen könnte. Gutslepakete waren auch auf dem Geschenktisch, so daß ich meinen heiligen Abend durchaus nicht ohne Gruß von den Lieben zu Haus verlebt habe. - Gestern erhielt ich Mutti\'s lieben Brief mit dem Fluche auf die Postzustände, der jetzt wohl sanfter ausfällt, da die Esel mir mein Paket so schön zum Silvesterabend gebracht haben. -
Der Kosmoskalender hängt bereits an der Wand, auf dem Kissen habe ich auch schon herrlich geschlafen, allerdings nur 3 Stunden, denn ich kam gestern Abend erst heute früh um 4 nach Haus(!!) und mußte den ganzen Vrm. schon wieder Ordonanzoffiz. Dienste tun. Die gute Luft auf dem Kopf hat auch schnell im Kopf für frische Luft gesorgt und alle Grog-Punsch-Bier und Sektdämpfe vertrieben, die sich etwan in der Neujahrsnacht möchten könnten dürften angesammelt haben. - Den Kindern danke ich noch einzeln für Ihre lieben Gaben, für heute einstweilen Schluß und 1000 herzl. Grüße
Euer Euchliebender Wolf.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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