Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hedwig Lauth an ihren Ehemann am 27.11.1917 (3.2012.1801)

 

Essen, den 27. Nov. 1917.



Lieber Julius.
Vehring brachte mir heute die tiefbetrübende Nachricht, daß Offiziere nicht reklamiert würden. Er war heute bei N. gewesen. Es ist doch scheußlich ärgerlich. Jetzt setze ich meine ganze Hoffnung auf Rußland, die Sache muß doch bald ein Ende haben. Mich hat der Krieg vollständig ruiniert, ich wollte, man könnte mich ins Grab legen. Selbst die Kinder können mich nicht mehr von diesem Wunsch abbringen. Habe aber keine Angst, ich werde Dir nicht mehr viel vorstöhnen, ich spreche mich jetzt immer mit Frau Vehring aus. Der Mensch ist ja nun einmal so geartet, daß er sich irgendwem gegenüber aussprechen muß.
Heute Morgen kam der Urlauber mit der Kiste, auf Deinen Wunsch hin, habe ich sie noch nicht geöffnet. Freude kann ich heute nur Garnicht empfinden.
Einliegenden Brief schicke bitte direkt an die Bank, laß mich nicht deshalb nochmals hinlaufen. -
Wenn Du die Schuhe nicht bekommen solltest, schicke den Schein bitte gleich an Paula mit der Bemerkung daß ich Nr. 29 haben möchte. Mama schrieb mir heute wieder, ich möchte meine u. der Kinder Weihnachtswünsche ihr schreiben. Ich habe aber keinen Wunsch. Das Geld haben wir bitter nötig.
Laß es Dir gut gehen. Ich möchte ins Bett.
Herzlichen Gruß und Kuß
Deine Hedwig.

28/11. Eben sind Ludwig u. Julie gekommen. morgen fahren sie weiter. Deinen Brief vom 26. u. die Karte an Anna habe ich bekommen.
Mutter tut mir leid, wenn sie Weihnachten allein sein sollte. Aber ich muß Dir aufrichtig schreiben, ich glaube es wird mir zu viel, wenn Ihr beide die ganze Zeit zusammen hier seid. Du machst Dir keinen Begriff über meinen Zustand. Als ich z. B. heute die beiden vom Bahnhof abgeholt hatte, wäre ich vor lauter Aufregung in der Elektrischen hingeschlagen, wenn mir ein Herr im selben Augenblick nicht seinen Platz eingeräumt hätte. Ich schlafe keine Nacht mehr. Mein Herz, das vor kurzem sich nur nachts unangenehm bemerkbar machte, ist jetzt auch den ganzen Tag über unruhig. Du wirst Dich auch wohl allmählich damit vertraut machen müssen, daß wir unser viertes Kind erwarten. Seit einiger Zeit quält mich dieser Gedanke sehr. Aber drei Kinder in solch schweren Zeiten wird über meine Kräfte gehen. Es sind zu schwere Jahre, die mir da bevorstehen. Wie Du über Mutters kommen urteilen willst, will ich Dir überlassen.
Herzliche Grüße u. Küsse
Deine Hedwig.

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top