Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hedwig Lauth an ihren Ehemann am 15.07.1917 (3.2012.1801)

 

Essen, den 15. Juli 1917



Lieber Julius.
Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 7. u. heute die Kiste, die ich morgen wieder zurückschicken werde. Nur 2 waren etwas gesprungen. Die andern habe ich eingelegt. Habe vielen Dank für Deine Mühe. Ich hätte noch gern mehr, da ich im Winter den Kindern Abends eins geben müßte, da die Milchsuppen ausfallen. Gestern war ich mit Frau Vehring auf dem Großhändlermarkt beim Rheinischen Bahnhof um Gemüse u. Obst zu kaufen. Einige Kirschen lachten uns freundlichst an, aber höhnisch und frech die Frauen als wir fragten, ob wir sie kaufen könnten. Mit ganz leeren Körben kamen wir zu Hause an. Mutlos u. nervös machen mich solche Wege. Das Weinen liegt mir näher als das Lachen. Oft liege ich im Bett und weine. Wenn die Kinder mich nicht so nötig hätten, dann möchte ich sterben. Dies ewige Alleinsein bringt mich zur Verzweiflung. Alles fährt fort und sucht nach Möglichkeit Zerstreuung, nur ich sitze hier einsam u. allein u. mache mir das Leben schwer. Ich werde alt, häßlich, grau und ganz mürrisch dabei. Mit Wehmut denke ich an die vergangene, freudvolle Jugendzeit zurück. Könnte ich sie meinen Kindern auch nur so schön machen. Aber hier in Essen kann das nie sein. Ich werde mich hier immer fremd u. nicht zu Hause fühlen. Ilse wird sicher unter dieser furchtbaren Gemütsstimmung leiden. So sehr ich auch dagegen angehe, ich kann nicht anders. Ich komme aber auch nur aus dem Hause heraus, um auf Gemüsejagd zu gehen und das ist so aufregend. Seitdem Du fort bist bin ich kaum mehr im Walde gewesen, ich habe ja keinen, der mit mir geht. Es ist ein schreckliches Leben. Seit einigen Wochen spüre ich auch eine große Gedächtnisschwäche. Ich muß immer alles Anna sagen, ich kann nichts behalten. Ich weiß auch nie mehr, was ich Dir geschrieben habe, ob ich alles bestätigt habe. Verlange nur nichts von mir. Du hast eine verzweifelte Frau. Ich wünschte, ich könnte mal wirklich ausschlafen. Aber meine Nerven sind stets so aufgeregt u. meine Angst vor Fliegern, vor Gewitter, vor Einbrüchen ist so groß, daß ich nicht schlafen kann. Wenn Du kommst, werde ich wohl wieder ruhiger schlafen, komme also bald.
Es küßt Dich herzlich Deine Hedwig.
Ich habe noch 2 Kisten Cigarren gekauft 18 Pf .
Der Konsum hat fast ausverkauft.

 

 



Ansicht des Briefes

 

Briefe aus diesem Konvolut:
top