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Brief (Transkript)

Hedwig Lauth an ihren Ehemann am 14.02.1917 (3.2012.1801)

 

Essen, den 14. Febr. 1917.



Mein lieber Julius.
Gestern Abend erhielt ich Deinen Brief vom 11. Ich schreibe Dir bei Kerzenlicht, da mal wieder wie so häufig in letzter Zeit das elektrische Licht nicht brennt. Ich bin mal wieder in ganz trüber Stimmung. Gestern erfuhr ich von Dr. Flöhr, daß ich weder Haferflocken noch Gries vorher bekomme, dann nur noch ½ l Milch. Von März an werde ich nur noch ¾ l Milch im Ganzen bekommen. Trostlos. Dann werde ich meine letzten Haferflocken u. meinen Kakao hergeben, die ich so treulich aufbewahrt habe für die Zeit, wenn ich das Kind nähre. In Osn. bekommt […] alles. Fast täglich kann man jetzt auch in den Zeitungen lesen, daß wir mit der Nahrungsversorgung am schlechtesten versorgt sind. Ich wollte, ich wäre damals wie ich es so sehr wünschte, nach Osn. gezogen od. zu Dir nach Neur. Ich würde jetzt nicht so viel Sorgen haben und nicht so mit meinen Nerven heruntersein. Manchmal denke ich, ich müßte verrückt werden. Tag für Tag sitzt man hier im Hause, kommt nicht heraus und hat keine andere Unterhaltung als die Kinder. In Osn. hätte ich immer Anregung gehabt. Mich packt manchmal die Verzweiflung. Ich weiß bald nicht mehr was ich anfangen soll. Fett habe ich vielleicht noch ½ Pfund, Butter keine mehr, Marmelade noch 2 kl. Gläser. Wenn ich nun nicht gerade in Umständen wäre, würden mir die Entbehrungen nicht so viel ausmachen, dann würde ich nur für die Kinder leiden. Flöhr rät dringend dazu Margret impfen zu lassen, auch das Mädchen. Ich dürfte es nicht mehr. Unser Wasser ist jetzt das reinste Karbol, man schmeckt es durch Thee u. Kaffee. - Die Steuern sind mir viel zu hoch, ich begreife das nicht. Hast Du denn auch gelesen, daß die St. 19 400 stehen? Ich habe heute den Beitrag für den Richterverein bezahlt. Vor einigen Tagen auch etwas vom Gericht.
Erica wünscht sich von mir nur Geld u. eine Blume. Zu dem Tage muß sie ihre kl. Freundinnen und Freunde einladen. Ich habe eine Dose kondensierte Milch dafür stehen. Leider kann ich aber keinen Kuchen backen wegen Fettmangel. Ich müßte auch notwendig Frau Vehring, die jetzt Besuch von einer Kousine hat, einladen. Aber ich habe ja nichts. Ich bin ganz unglücklich. Flöhr meinte im ½ Jahr hätten wir Frieden. Ich kann nicht daran glauben. Er will seinen Patienten wohl Mut machen. Bleibe Du munter. Dich küßt Deine Hedwig.
2 Kisten Oreos, die letzten die sie hier oben hatten, habe ich gekauft.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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