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Brief (Transkript)

Hedwig Lauth an ihren Ehemann am 05.02.1917 (3.2012.1801)

 

Essen, den 5. Febr. 1917.



Mein lieber Julius.
Deinen Brief vom 2. habe ich erhalten. Ich wollte Dir schon gestern geschrieben haben, zu meinem Erstaunen sah ich aber daß meine Briefbogen alle ausgegangen waren. Ericas Freude über die Karte war groß, sie mußte gleich damit zu Vehrings sie zu zeigen. Aus Furcht, daß Margret sie bekam, trug sie sie den ganzen Tag in ihrer blauen Pumphose. Ich habe Dir heute die Hosenträger besorgt. Mit Gummi gibt es nichts mehr, die Ersatzteile sind aus Spiralen. Wenn Du sie so nicht haben willst, kann ich sie im Konsum wieder umtauschen und mir bei Arens[?] welche ansehen. Es ist jetzt aber keine Kleinigkeit in die Stadt zu fahren. Die Elektrischen sind alle zu jeder Zeit dermaßen überfüllt, daß man lange warten kann, ehe man hereinkommt. Unter den furchtbarsten Stößen u. Drängen kommt man nur herein u. heraus und das kann ich schlecht mehr aushalten. Als ich zurückkam empfing mich Margret mit den Worten, „Kommt Vater auch wieder.“ Es ist ein so liebes Ding, aber auch Erica ist mein ganzer Sonnenschein. Sie ist viel froher geworden, ihre Freude hättest Du mal sehen sollen, als ich heute nach Tisch mit ihr herausging. Bei dieser furchtbaren Kälte muß sie soviel im Hause bleiben. Im Augenblick kommt ganz überraschend für mich Dein Paket, der Inhalt überraschte mich noch mehr. Da hast Du aber viel Glück gehabt. Liebster, ich bin Dir so dankbar für Deine Sorge. Der Schinkenspeck hält sich ewig und die Wurst bis zum Sommer, da es kein Fettdarm ist. Deine Wäsche soll sie morgen gleich waschen. Deine andere Wäsche bis auf Faltenhemden u. Kragen werde ich Dir wohl morgen abschicken können. Man hört jetzt hier viel von Arbeiterunruhen wegen des gänzlichen Fehlens der Kartoffeln u. des großen Mangels an Brot. Frauen stehen den ganzen Tag vor den Bäckerläden u. warten auf Brot. Ich habe viel Dusel dabei. Oelzes telefonieren alle Stunden Oelkers ab ob sie Brot haben u. sagen Bescheid. Wie gut, daß Du endlich mein erstes Paket bekommen hast. - ich werde noch Rüben einsäuern trotzdem ich sie garnicht mag, ich habe aber zuviel Furcht vor der Zukunft. Das Dörrgemüse schmeckte wohl, fand aber bei den Kindern wenig Anklang. Margret ißt jetzt sehr schlecht, Erica gut, sie haben die Rollen vertauscht. Gemüse oder Obstkonserven wirst Du da auch wohl nicht mehr bekommen können. Vielleicht wenn die Konserven freigegeben werden, dann kaufe so viel Du kannst. Es wird sicher nur auf Karten gehen. Ich habe solch eine Angst, daß America u. Holland auch noch anfangen u. daß wir dann die Feinde bald im Lande haben. Paul muß jetzt auch heraus nach seiner letzten Untersuchung. Es tut mir furchtbar leid, von meinen Geschwistern ist er mir der Liebste. Mama schreibt auch ganz entsetzt darüber. Sie meinte Franz könnte nichts mehr bekommen für mich, er wollte aber alles versuchen. Wenn sie Deine Adresse gehabt hätten, hätten sie Dir zum Geburtstag gratuliert. Oscar u. Ludwig liegen nur 12 km voneinander entfernt, sie haben sich schon besucht. Ludwig ist wieder bei der Masch. Gew. Komp. Martha schreib mir, daß Heinrich jetzt für dauernd garnisondienstfähig für Heimat erklärt ist. Ihre Freude ist groß.
Ist der Kunsthonig teuer, ich würde gern dem Mädchen mal davon geben. Ich habe nichts mehr für sie. Wie steht es mit Butter u. Fett?
Dir lieber Julius sende ich die herzlichsten Grüße u. Küsse. Deine Hedwig.
Als ich Erica heute vorlas, daß Du den Kindern einen Kuß schicktest, kam sie gleich zu mir gelaufen u. sagte, „Mutter nun gib Du mir auch alle Küsse von Vater.“
An Deine Handschuhe werde ich denken. Anna ist doch ein Prachtmädchen, sie wäscht Dir die Wollwäsche heute Abend noch.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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