Essen, den 6. Januar 1917.

Mein lieber Julius.
Deine beiden Kinder und ich vermissen Dich sehr. Gleich in der ersten Nacht, als ich vor dem zu Bette gehen an Ericas Bett ging, beruhigte sie mich sofort mit den Worten: „Mutter sei man nicht traurig, so lange wie der Krieg jetzt gedauert hat, so lange wird er nicht mehr dauern, Vater glaubt das auch und ich.“ Es kam zu niedlich heraus. Margret sagte andauernd, Vater kommt gleich. Sie sucht Dich in Deinem Zimmer und wenn es schellt, glaubt sie, Du seiest es. Und ich mache mir, wo ich allein bin, noch mehr Sorgen Deinetwegen. Sobald ich liege, kommen mir die schlimmsten Gedanken. Durch diese schlaflosen Nächte bin ich schon ganz elend geworden. Die armen Kinder müssen darunter leiden. Ich würde ja viel ruhiger sein, wenn Du hier Dein Versprechen gehalten hättest und nicht so viel gepafft hättest. Bedenke doch, daß Du Dich Deinen Kindern so lange wie möglich erhalten mußt. Sie haben Dich viel nötiger als mich. Es kommen mir schwere, schwere Gedanken. Dann pflege Dich dort so gut Du kannst. Unser Kleinstes war gestern selig über den Wagen und die beiden Kerzen, die ich ihr angezündet hatte. Aber leider macht der Wagen einen furchtbaren Krach, morgens hört man ihn bis ins Schlafzimmer. Ich hoffe, daß sie ihn recht bald leid ist. - Gestern war ich bei Frau Dossm. Ihr Mann hat es scheinbar ganz gut getroffen, sie kommen aber nach Barntrupp, das ganz bei Blomberg liege. Heute Nachmittag war Frau Schulte bei mir u. nachher noch Frau Vehring. Wir sind zusammen in die Stadt gegangen. Schulte scheint viel hierher zu schicken, sie leidet keine Not mehr. Hoffentlich hast Du auch was erreicht. Morgen erwarte ich wenigstens eine Karte von Dir, ein Brief ist mir lieber. Ich kann mich diesmal sehr schlecht an das Alleinsein gewöhnen. Und dabei sind die Friedensaussichten alle ganz zerstört. Laß es Dir gut gehen. Liebster. Es küßt Dich
Deine Hedwig.
Flöhr hat diesmal eine hohe Rechnung geschickt 38 M
Erica sah heute wieder etwas frischer aus.