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Brief (Transkript)

Erich Nipkow an einen Freund am 15.08.1915 (3.2012.846)

 

Haynau, d. 15.8.1915.



Lieber Emil!
Habe Deinen Brief vom 12. […] welcher erst am 14. […] abgesendet ist, heute Sonntag bekommen. Ich kann mir das garnicht denken, das Du sowenig Post von mir bekommst. Da heute hier Regenwetter ist, so setze ich mich hin und werde an Alle schreiben. Die ersten Tage bekam ich eine Erkältung und wollte mich erst krank melden, oder es wurde wieder besser / natürlich werde ich immer schwächer, da man doch bei 98 [...] nichts zum zusetzen hat und werde den Moment abwarten wo ich nicht mehr weiter kann. Unsere Ausbildung ist jetzt immernoch soweit als ob wir in Brandenburg 14 Tage bis 3 Wochen waren, aber nicht schon 7 Wochen hinter uns haben. Wir üben hier kolloßal den Parademarsch, welchen wir jeden Tag eine Stunde durchnehmen und dann ist auch die Ausbildung viel genauer als in Brandenburg. Gestern Sonntag war Besichtigung von den alten Rekruten, welche bis jetzt schon 15 Wochen hier sind und jetzt erst nach Posen kommen zur Schießübung und von dort aus ins Feld. Dieselbe Sache sollen wir auch durchmachen na dann viel Glück. Unser Regiment steht in Krotoschin und ist kein Westfälisches, sondern die Steinmetzfüsiliere und gehören zum 5. Armeekorps. Aber das Essen ist hier sehr mies, die Gegend dagegen wunderbar. Unser Dienst ist Pflaumweich, denn was wir hier in 4 Tagen haben, haben wir in Brandenburg in einem Tag gelernt. Gestern Sonnabend hatten wir den ersten großen Marsch von 30 km mit Tormister ohne etwas drin und bei Regen gemacht, welchen ich so leidlich überstanden habe. Unterwegs in den Dörfern bekommen wir immer viel Obst, so z. B. hatten wir in einem Dorfe eine halbe Stunde Pause und da bekamen wir so viel Obst, das ich sämtliche Taschen und mein Brotbeutel voll hatte, denn Obst giebt es hier sehr viel und billig. In dieser Gegend ist ein Soldat bedeutend mehr angesehen als in Brandenburg und man bekommt sehr viel geschenkt. Haynau ist eine Stadt von 11.000 Einwohner. Wir liegen in einem Saal und schlafen auf Strohsäcke an der Erde und alles ohne Bezüge zusammen sind wir hier im Saal 150 Mann. Für Sonntags und Abends in der Woche haben wir Extraröcke, Sonntags weiße Hosen. Diese Woche bekommen wir noch Mannschaftshosen. In drei Wochen hoffe ich auf Urlaub zu fahren und wahrscheinlich ein par Tage, denn auf Heimaturlaub haben wir frei Fahrt. Hoffentlich hast Du Glück wie Du im vorletzten Brief schreibst eventuell frei zu kommen, das wäre ja sehr schön vielleicht geht meine Laufbahn auch so, jedenfalls wollen wir das Beste hoffen und recht bald die vergnügten Sommerabende wiederholen. Was macht denn Deine Frieda? Schreibt sie noch oder hat sie Dich schon mal besucht? Unsere Fahrt von Brandenburg nach hierher war sehr interessant. Von Friedenau an hatte ich mich auf einen Trittbrett gesetzt von einem Wagen mit einer Plattform und konnte bequem sitzten und alle Bahnhöfe sehen und hatten derbe gesungen. Am liebsten wäre ich in Neukölln abgesprungen. In Frankfurt waren wir nachmittags um ½ 4 und hatten nur 10 Min. Aufenthalt, außerdem gab es in Frankfurt auch Citronenwasser. Nun lieber Emil werde ich jetzt schließen und nächstemal mehr.
Herzliche Grüße
D. Erich.

Nun noch eins, was ich Dir mitzuteilen habe, daß wir hier nicht lange bleiben und bald wieder von hier wegkommen, nämlich nach Krotoschin und dann werden wir bald in Deutschland umher sein, aber es ist noch nicht genau raus, jedenfalls wollen alles Beste hoffen.
Nochmals herzl. Grüße
Erich

 

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