Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Adolf Treber an seine Familie am 26.10.1915 (3.2011.3956)

 

Dienstag, den 26.10.15


29.10.15. [Stempel]
beant[?] 2.11.15
Mein Lieben,
ich bin nun den 3. Tag wieder herin u. hab mich ausgeruht von den 4 Tagen draußen. Über den Trost Vaters mußte ich lachen, „daß sich unsere Vorgänger jedenfalls auch bequem eingerichtet hätten“. Ja, das war vielleicht einmal, an manchen Stellen sollen sie sogar elektr. Licht in den Unterständen gehabt haben. Aber diese Gräben gehören heute den Engländern; wo wir sind, ist zwar bis auf ganz kleine Teile alles wieder in unserm Besitz, aber wie sieht\'s da aus!
Unsre Komp. kam direkt hinter die 1. Stellung in einen ehemaligen Graben, den wir aber erst wieder ausgraben mußten. Anfangs ging\'s fast über freies Feld, so hatte die engl.-französische Artillerie alles zusammengeschossen. Mein Unterstand war ein Erdloch, mit dicken Baumstämmen abgedeckt, in dem man sich kaum ausstrecken konnte. Die Leute hatten schwer zu schanzen u. wir Zugführer mußten fast ständig dabei sein, sonst wäre uns alles fortgelaufen, es fehlten so immer ein paar Mann. Die Stellung, wo eben unsere Division ist, heißt der Hohenzollern-werk[?] u. ist eine kleine Feldfestung für sich, springt nur der allgemeinen Verteidigungslinie ein Stück vor. Zu dem jetzt, wo links u. rechts noch deutsche Gräben von Engländern besetzt sind. Die Folge davon ist, daß wir ständig Flankenfeuer von der feindl. Artillerie bekommen. Besonders unangenehm sind da die englischen Flachbahngeschosse, die ganz kurz über die Graben hinstreichen, lauter Schrapnells u. leichte Granaten, die eine Arbeit auf freiem Feld fast unmöglich machen u. oft in einer halben Stunde das Werk eines ganzen Tages wieder vernichten.Aber auch an schweren Granaten fehlt\'s nicht – u. die geht Tag u. Nacht. In der letzten Nacht wurden wir früh abgelöst u. mußten bis 3 h noch einen ganz neuen Graben anlegen. Es war neblig, sonst hätten wir unmöglich 100 m vom Feind 2 Komp. auf freiem Feld arbeiten lassen können. Es ging aber gut, erst am Schluß bekamen wir einen Toten u. einige Leichtverwundete. Ich bekam bei dieser Gelegenheit eine Schrapnellkugel in den Brotbeutel, doch wurde sie durch das Briefpapier, Zigarren u.s.w. abgehalten, sodaß sie nichteinmal mehr durch die Rückseite des Brotbeutels hindurchkam. Leider hat sie sich aber unten später ein Loch gemacht, sodaß ich sie Euch nicht schicken kann. Es wäre ein schönes Andenken gewesen. Ich merkte es übrigens erst am nächsten Morgen, als ich um 8 h ins Quartier kam u. meine Sachen ablegte.
Vaters Brief, den Kuchen u. den Apfel von Lina, Linchens Karte u. die Bilder von Ludwig hab ich bekommen, für alles herzlichen Dank! Je nach meiner Zeit werde ich den einzelnen auch antworten.
Schickt mir nun auch wieder hie u. da was zum Essen, aber nicht so viel auf einmal u. nur alle 5-6 Tage! Wegen der Zigarren hab ich ja schon geschrieben. An Unterzeug brauche ich vorläufig nichts, höchstens ein Paar Kniewärmer u. warme Handschuhe. Meine Wäsche wird auch hier wieder recht gut gewaschen, sodaß ich vorläufig sehr gut mit dem Mitgenommenen auskomme. Ich brächte auch garnichts mehr unter u. man weiß ja nie sicher, ob u. wie lange wir an einem Platze bleiben.
Ich liebe mit einem anderen Vize zusammen in einem breiten, sauberen franz. Bett, bei 2 alten Leuten, die nur noch ihre Enkelin bei sich haben, ein echtes französisches plumpes Bauernmädel. So wie die Lothringer. Unsere Quartiere liegen etwa 10 min vor dem Städtchen Carvin, zum Casino haben wir gut 20 min. - Heut war wieder ein schöner Herbsttag, wenn auch etwas kalt. Das ist aber immer noch besser als Regen. Jedenfalls brauche ich diesmal nicht mit hinaus.
Eben kommt ein Mann, der die Post mitnimmt; ich muß also schließen. Es geht mir gut, Euch hoffentlich auch.
Mit herzlichen Grüßen
Euer Adolf.

 

top