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Brief (Transkript)

Curt Emmrich an seine Schwester am 05.03.1916 (3.2011.3532)

 

d. 5.3.16.



Mein liebes Schwesterlein!
Du sollst heute wenigstens nicht ohne einen kurzen Gruss sein, wenngleich ich Dir keinen anständigen Brief schreiben kann. Dazu muss ich erst mein seelisches Gleichgewicht wiedergefunden haben. Jedenfalls danke ich Dir zunächst einmal herzlich für Deinen lieben letzten Brief, der mir sehr viel Freude bereitet. Besonders interessant war mir der Auszug aus Ernstens Brief. Ich muss gestehen, mir sind solche Offiziere noch nicht begegnet, wenn ich auch zugebe, es kann solche Leute gebe. Ich habe die Schnauze gründlich voll und bin gewiss ein friedfertiger Mensch. - Hier will ich lieber das Thema abbrechen, denn so käme ich wahrscheinlich fürchterlich ins Schimpfen. Und das ist erstens verboten und zweitens zwecklos.
Von A. habe ich Dir wohl garnicht geschrieben? Du darfst mir das nicht weiter übel nehmen. Wir hatten zwar nicht allzu viel Dienst, aber in unserem Quartier war immer kolossaler Radau und im Casino, da gings auch nicht gut, wurde wenigstens nicht gerne gesehen. An und für sich wars sehr schön und ich habe mich ganz gut erholt. Außerdem hatte ich Gelegenheit, meine alten Kampfgenossen vom Winter 14/15 einmal wieder aufzusuchen, denn wir waren dem 1. l. M. K. zugeteilt. Unser Dienst begann früh 9h, sodass man aber gut ausschlafen konnte. Die Burschen brachten die Pferde vors Quartier und dann ritten wir mit Oberlt. Reichardt ins Gelände. Meist war allerdings der Regenmantel notwendig, aber die Bewegung und frische Luft tat doch gut. Es wurden taktische Übungen abgehalten, Fahrübungen, Meldekartenaufträge und ähnliche Scherze. Nachmittags war dann Unterricht (Schiessvorschrift, Felddienstordnung, Exerzierreglement) und abends 7h warme Tafel mit anschließendem gemütlichen Beisammensein. - Die Besichtigung verlief, soweit wir beurteilen können, sehr gut. Über den Erfolg erfahren wir allerdings zunächst nichts. Mit Beförderung ist es sehr miese wegen der kolossalen Überfüllung.
Du kannst Dir vorstellen, dass nach einem solchen Götterdasein die Zurückgewöhnung in den Schützengraben nicht leicht fällt. Läuse hab ich auch schon wieder, aber es wird sich schon machen. Die Zeit ist der beste Arzt für alle seelische Depression.
Gestern kam Trudels lieber Brief …. Wies aus einer anderen, besseren, schöneren Welt deuchte er mir, der ich ganz und gar [...] bin. - Grüsse sie einetweilen herzlich von mir und sag, ich lasse vielmals danken.
Bald kommt Antwort. Desgleichen viele Grüsse an Grossmama, Tante Mia u. Tante Martha.
Für Dich mein süsser lieber kleiner Bools[?] tausend innige Küsse von Deinem Brüderlein
Kurt
der Dich sehr, sehr, seehr lieb hat.

 

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