Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Rudolf Emmerich an seine Eltern am 13.04.1915 (3.2011.3532)

 

Sennelager 13.IV.


Entschuldigt! Wie ich eben meine Manteltasche auskrame, finde ich einen Brief an Euch, den ich schon ein paar Tage mit mir herumtrage. Der dicke Brief mit dem vielen leeren Briefpapier ohne ein Sterbenswörtchen Schriftliches darin, war ja ein deutlicher Wink mit dem Zaunspfahl. Aber ich hoffe, ich bin nun entschuldigt. Was soll ich Euch weiter schreiben, als daß wir noch einmal von Neuem ausgebildet werden. Zuerst werden uns die, völlig unbekannten, Grundlagen, als da sind Wendungen, Stillstehen, Griffe beigebracht. Wenn wir ein paar Monate ausgebildet werden sollten, dann wäre das vielleicht sehr angebracht; aber wo eigentlich in den 6 Wochen jede Minute kostbar ist, so halte ich für meine Person es für höchst überflüssig. Einmal sagt der Hauptmann: „Die Leute sollen in 6 Wochen ins Feld u. sollen Vorgesetzte werden.“, u. dann müssen wir wieder stundenlang „Griffe kloppen“. Es werden dann immer welche aus unseren Reihen genommen zum kommandieren. Das ist sehr lehrreich. Morgen früh machen wir einen Marsch. Es wird auch ziemlich viel scharf geschossen. Gefechtsschießen. Wir exerzieren immer draußen auf der Heide. Die Sonne brennt manchmal schon sehr schön warm. - Eigentlich war unser Barackenlager für russische Gefangene bestimmt. Neben unserm Lager ist ein Gefangenenlager, dessen Insassen öfters in unserm Lager arbeiten. Daß es die Gefangenen schlecht haben, kann niemand behaupten. Einige helfen in der großen Kantine mit. Eine ganze Menge sahen wir heute, als wir an ihrem Lager vorbeimarschierten, Fußball spielen. Am Sonntag ist in der Kantine des Gefangenenlagers immer große Vorstellung. Ein Franzose singt auf französisch aus Wagners Lohengrin, ein anderer macht Akrobatenkunststücke; ein Engländer reißt Possen. Es kostet Eintritt, und für das Geld kaufen sich die Gefangenen Zigaretten u. andere Genußmittel. Und das ist immer gestopft voll von deutschen Soldaten. Es ist eine Schmach, da einen Pfennig Geld hinzutragen. Und da heißts: Der Franzose singt großartig – weil er französisch singt wahrscheinlich.
Schreibt mal bald u. schickt mal bald was
Rudi.

 

top