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Brief (Transkript)

Rudolf Emmerich an seinen Vater am 14.02.1915 (3.2011.3532)

 

Rawa 14.II.


Lieber Vater! Meinen herzlichsten Glückwunsch zu Deinem Geburtstage. Möge Dein neues Lebensjahr unserm Deutschland einen glorreichen Frieden bescheren! Wir hier draußen sehnen uns alle danach, noch dazu, weil jetzt wieder „Dreckwetter“ anfängt. Es fängt an zu tauen. Die Straßen weisen einen himmelschreienden Schmutz auf, und in den Gräben und Unterständen rutscht eine Schicht Erde nach der andern ab. Das kann schön werden. Es ist nun aber auch nicht mehr so kalt. - Von dem russischen Angriff neulich haben wir 93 Tote begraben. Da werden sie wohl auch einen ganzen Haufen Verwundete haben. - Neulich schrieb ich doch von dem Wäldchen, wo unsere Vorposten drinnen stehen. Als wir das letzte Mal in den Graben gingen, sollte es, weil es sehr leicht umzingelt werden umzingelt werden kann, nicht mehr besetzt werden. Wir waren schon auf andern Stellen aufgestellt, als doch noch der Befehl kam, wieder ins Wäldchen zu gehen. So hatten wir wieder das Vergnügen, die ganze stockdunkle Nacht vorne zu stehen. Man konnte wieder die Hand vor Augen nicht sehen und konnte sich nur auf seine Ohren verlassen, und das ist sehr unzuverlässig; denn bei den Russen waren große Filzstiefel gefunden worden, mit denen man geräuschlos auf dem gefrorenen Boden vorwärts kommen kann. Wir waren daher heilfroh, daß wir bei Tagesanbruch in den Graben kamen. Nächsten Abend wurde tatsächlich das Wäldchen nicht wieder besetzt. Gegen 9 Uhr Abends, ich hatte gerade Wache im Graben, hörten wir plötzlich vom Wäldchen her lebhafte Schießerei und plötzlich „Kyrä“[?]-geschrei. Wir waren erst alle ganz verdutzt, aber dann fingen wir alle an, herzlich zu lachen, denn wir merkten, daß die Russen das Wäldchen gestürmt hatten, wo doch überhaupt niemand drinnen war. Sie hatten es vollständig umzingelt, denn alle unsere Posten vorn fingen zu gleicher Zeit an zu schießen. Wenn jemand im Wäldchen gewesen wäre, der wäre auf jeden Fall verloren gewesen. So haben wir denn mal wieder großes Glück gehabt, denn gefangen nehmen hätten wir uns auf keinen Fall lassen. - Am nächsten Morgen versuchten die Russen, übermütig geworden, gleich einen Angriff rechts von uns bei einem Landsturmkorps. Dabei schossen sie aus dem Wäldchen schon mit Maschinengewehren. Mit den Dingern sind sie gleich bei der Hand. - Neulich hörten wir tüchtigen Kanonendonner in der Richtung Warschau. - Nebenan wird eben tüchtig gelacht. Da liegen die Unteroffiziere und machen ihren Jux. Gestern Abend haben sie bis um 2 Uhr Skat gespielt. Heute Nacht wirds auch wieder laut zugehen, denn beim Marketender, der heute da war, haben sie viel Rum und Grog gekauft. Na, stören tun sie mich nicht, denn ich kann sowieso Nachts wegen Ungeziefer nur wenig schlafen. Das holen wir uns alle in den Unterständen, wo sehr altes Stroh liegt. Deswegen haben wir auch im Quartier kein Stroh, sondern schlafen auf dem blanken Fußboden. - An Stroh ist überhaupt ziemlicher Mangel. - Von den Häusern hier sind ziemlich viel zerschossen, aber die Juden regen sich wieder. Überall tun sie Läden auf, wo Sachen aus Lodz verkauft werden. Butter 1[…] 2 M, Häringe, Gehacktes, koschere Wurst, Schokolade, Zigaretten, Käsekuchen 1[…] 1,20 M. - Es ist eben alles so teuer, daß wenn es Löhnung giebt, das Geld gleich am ersten Tage alle ist. Aber jetzt braucht man ja nicht mehr viel zu kaufen, wenn die Post regelmäßig kommt. Augenblicklich scheinen die Kerle bei der Bagage mal wieder zu faul zu sein, um sie in Lodz zu holen; daran liegt es sehr oft...
Jetzt will ich aufhören mit Schreiben, sonst fange ich an, über diesen furchtbaren Krieg zu klagen. Von Suhl ist nur ein Müller vom Rasen in der Kompagnie (gefällt mir nicht). Beim Ausrücken waren 17 Benshäuser in der Kopmpagnie, von denen nur noch 5 da sind, die neulich von der „Irma“, wie sie sagen, Heßberg eine große Kiste bekommen haben. Wenn ich nur Nachts im Quartier schlafen könnte! es geht aber allen so.
Herzl. Gruß. Rudi.

 

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