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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 20.11.1915 (3.2009.0064)

 

Döberitz, den 20. Nov. 15.



Meine Lieben!
Nun sind wir fast aucht Tage hier in dem großen Truppenübungslager. Wohl 12-15000 Mann halten sich in den Baracken des Lagers auf. Diese sind teils aus Steinen, teils aus Holz oder Wellblech. Dazu besitzt das Lager viele Kantinen, mehrere Kasinos, ein Soldatenheim, ein Postamt u. s. w. Bis zum Bahnhofe sind etwa fünf Minuten. Das Postamt hat zahlreiche Telephonverbindungen. Diese dürfen jedoch nur in dienstlichen und militärischen Angelegenheiten angerufen werden. Es ist uns daher befohlen nach Hause zu schreiben, daß die Angehörigen (auch in dringenden Angelegenheiten nicht) nicht nach hier telephonieren dürfen. Hier gibt es nun alle möglichen Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten, nur schade, daß alles so riesig teuer ist.
Unser Dienst ist nicht besonders anstrengend, wie man es schließlich zuerst meinte. Morgens zwischen 5 – ½ 6 Uhr wird geweckt. Der Dienst beginnt um 7 oder ½ 8 Uhr bis ½ 12. Zum Morgenfrühstück wird Kaffee mit Zucker und Brot geliefert. Das Brot ist schon geschnitten; sodaß wir es sehr bequem haben. Der Morgendienst führt immer auf die riesige Heide. Nach Rückkehr muß man sich zum Essen fertig machen, welches ja, wie ich bereits schrieb vorzüglich ist. So gab es heute Mittag Bouillon u. dann Kartoffel, rotem Kappus und ein Stück Bratwurst; alles gut zubereitet. Dieses Essen findet im sogenannten Funkerkasino statt; es ist ein Privatunternehmen. Das Essen wird von der Verwaltung bezahlt; doch müssen wir täglich 0,40 M Zuschuß geben; also alle 10 Tage 4,00 M. ich erhalte 3,80 M Löhnung, muß also daher noch 0,20 M herausgeben. - Der Nachmittagsdienst ist teils Exerzieren teils Unterricht und Instandhalten der Ausrüstung.
Er dauert in der Regel bis 7 Uhr mit anschließendem Abendessen. In der Regel gibts Kalte Küche. Auch das Abendessen findet im Kasino statt. Getränke gibt\'s Abends nicht. Unsere tägliche Zulage von 0,40 M. gilt für\'s Abendessen mit. Nach dem Abendessen gibt\'s noch zu studieren. Um 9 Uhr muß alles im Bett liegen. Heute, Samstag, hatten wir Nachmittags keinen Dienst. Dafür mußten wir von punkt ½ 2 – ½ 5 Uhr schlafen. Auch morgen Nachmittag ist um die gleiche Zeit Bettruhe. Dieselbe wird angeordnet, um Krankheiten zu verhindern, die leicht ausbrechen, wo soviele Menschen zusammenliegen. Wasser dürfen wir keines trinken, weil es Durchfall erzeugt, den die halbe Kompagnie in den drei ersten Tage in toller Weise hatte. Ich bin davon verschont geblieben. Die Kompagnie ist 120 Mann stark. Es sind im ganzen 18 Kompagnieen Einjährige hier; also rum 2000 Mann, die zum größten teile Leutnant werden.
Am Feiertage war kein Dienst. Nachmittags hatten wir einen gemeinsamen Spaziergang zum Dorfe Döberitz und in die Heide.
Auch am morgigen Sonntag dürfen wir noch nicht ausgehen. Erst von nächstem Sonntag ab gibt es Urlaub und zwar nach Berlin. Man fährt bis Berlin eine halbe Stunde. Es werden für uns besondere Züge eingelegt. Ich werde nächsten Sonntag wahrscheinlich auch fahren.
Das Wetter ist recht rauh, stark windig und regnerisch. Jeden Tag haben wir kleine Schneeschauer.
Damit für heute Schluß!
Euer
Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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