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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 28.05.1915 (3.2009.0064)

 

Aus dem Schützengraben an der Lorettohöhe, den 28.5.15.


N. 2. I
Meine Lieben!
Der erste Brief aus dem schönen Schützengraben! - Mit einem Kameraden, der jeden Tag die Post in die Schützenstellung bringt, bin ich gestern Nachmittag am ½ 5 Uhr zur Stellung gegangen.
Da sah ich zum erstenmale wie die Granaten der Franzmänner u. Engländer unter donnerähnlichem Krachen einschlugen. Zum erstenmale sausten mir auf diesem Wege Granaten mit lautem Heulen über den Kopf. Und in der Nacht beim Schützengrabenbau dicht an der vordersten Stellung pfiffen zum erstenmale Gewehrkugeln mit hellem Ton über mich. So empfing ich am 27. u. in der Nacht auf den 28. die Feuertaufe, weil ich da zum erstenmale ins Feuer kam.
Unterwegs sah ich zu beiden Seiten der Landstraße die metertiefen Granatlöcher. Wenn die Granate am Boden sitzt, krepiert sie und schmeißt die Erde im Umkreise von 1-2 Metern fort. Einige waren sogar auf der Straße eingeschlagen. Zwischen der Stellung und Avion, von wo aus ich gestern schrieb, liegt ein Dörfchen das nach u. nach dem Erdboden gleich wird. In den Kellern der Häuser stehen unsere Geschütze. Dort können sie von feindlichen Fliegern nicht gesehen werden. In die Wände sind Löcher eingebrochen, aus denen die Geschützmündungen herauslugen.
Ich habe mir nun alles schrecklicher vorgestellt, wie es wirklich ist. Angst habe ich überhaupt keine gehabt. Ganz ruhig konnte ich sehen, wie die Granaten krepierten und die Erde haushoch wirbelten. Ja, es ist wahrhaftig schön, das einmal sehen zu können. Und als die Granaten knurrend und brummend und heulend mir übers Haupt fegten, habe ich keine Furcht empfunden. Es ist ja auch alle Gefahr vorüber, wenn man sie hört, dann sind sie längst über einen weg. Dann ist es angenehm, daß die Franzmänner immer zu weit schießen. Wenn sie einen Schützengraben beschießen wollen, krepieren die Granaten 50-100 m dahinter. Dazu kommt, daß viele Granaten überhaupt nicht platzen, sondern bloß in den Boden eindringen und ruhig liegen bleiben. Das sind Blindgänger.
So kam ich denn auch schließlich zur 8. Compagnie, die in Ruhe in einem der hintersten Gräben liegt. Am 1. Juni kommen wir in den vordersten Graben für 4 Tage, dann kommen wir 8 Tage in Ruhe.
Ich meldete mich gleich bei dem Hauptmann der Compagnie, der mich freundlich empfing und mir kameradschaftlich die Hand drückte. Er sorgte für eine ordentliche Unterkunft. Wie diese beschaffen ist, kann man schlecht beschreiben, doch will ich es versuchen.
[eine Seite fehlt]
Wenn die Verpflegung auch gut ist, ist sie doch schmal, deshalb könnt Ihr an Eßwaren das schicken, was Ihr bis heran geschickt habt. Kerzen könnt Ihr wöchentlich einige schicken. Auch wieder einen Bleistift, die anderen habe ich verloren. Welche Pakete von mir habt Ihr erhalten? Wäsche habe ich noch genügend. Pfeffermünzchen hinzufügen.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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