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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 15.05.1915 (3.2009.0064)

 

Raches, den 15.5.15.


21
Meine Lieben.
Als wir vorgestern von den Pionieren nach Bossévall zurückkamen, kam sogleich Befehl zum Abrücken. Wir sind deshalb nur eine Nacht in Bossévall geblieben und gestern Morgen um 5 Uhr nach Sedan abmarschiert. Auf dem Bahnhofe Sedan sind wir verladen worden. Schon vor 4 Wochen schrieb ich, daß wir voraussichtlich anderwärts ziehen würden; solange haben wir nun in Hangen und Bangen geschwebt. Zuerst hieß es, wir würden in die Gegend von Metz verlegt, bis es schließlich nach Nordfrankreich ging.
Zum erstenmale kam ich auf diesem Marsche nach Sedan. Obgleich um die Stadt viel gekämpft worden war, waren nur ein paar Häuser weit vor der Stadt zerschossen. Aber viele Häuser standen leer, die Geschäfte fast alle geschlossen. In den geöffneten Läden war nicht viel zu kaufen. Am Tage laufen die Kinder den Soldaten nach und rufen; „Pfennig, Pfennig, Brutt Brutt.“ Sie wollen Geld u. Brot haben. Für die Soldaten ist ein großes deutsches Kaufhaus eingerichtet, in dem für wenig Geld alles mögliche zu bekommen ist. In Sedan sind große Feldbäckereien und Mehlniederlagen sowie Schlachthäuser. Die Kasernen sind mit Truppen belegt wie auch fast alle Häuser. Man glaubt fast, daß hinter der Front mehr Leute sind, wie in der Front. Die Straßen in Sedan sind eng u. schmutzig. Die Elektrische liegt still und der ganze Verkehr stockt. Man sieht fast nur Soldaten. Es hatte während des ganzen Marsches geregnet; und naß ging es in die Züge. Wir kamen in Güterwagen, in denen Bänke standen. Es war bei der kaltnassen Witterung recht ungemütlich darin. Um ½ 8 sind wir eingestiegen und waren Nachmittags um 6 Uhr am Ziel,- Hoffentlich erhalte ich die Postsachen, die unterwegs sind auch hier. Wenn Ihr jetzt Pakete schickt, dann schickt nicht mehrere auf einmal, sondern heute eins, morgen ein, höchstens 2 oder 3 auf einmal, wenn es nicht anders geht. Sonst hat man die Sachen alle auf dem Marsch zu schleppen. Wenn sie aber nacheinander kommen, fallen sie nicht so sehr zur Last u. können bequem verstaut werden. - Das ist französisches Briefpapier.
Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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