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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 14.03.1915 (3.2009.0064)

 

Coulommes, den 14.3.


3
M.L! Ich nehme an, daß Ihr die Post der letzten Tage erhalten habt. Sicherlich wird es immer längere Zeit währen. Meine endgültig richtige Adresse findet Ihr auf dem Briefumschlag. Lange wird diese Adresse wohl nicht dauern; hoffentlich aber solange bis Ihr mir etwas geschickt habt; zuerst einen Feldpostbrief mit Briefpapier und Postkarten. Sonst habe ich keine bes. Wünsche, besonders da die Verpflegung hier gut sein wird.
Wie ich Euch schon schrieb sind wir in einem Dorfe weit hinter der Front. Das Dorf liegt bei Attigny, einer größeren Stadt. Nach 30-stündiger Fahrt sind wir hier angelangt, nachdem wir durch einen Irrtum zuerst nach Somme-Py dicht an die Front transportiert worden sind. Dort war es allerorts trostlos. Als wir Abends 11 Uhr am Bahnhof Virton-St.Mard hielten kamen Frauen u. Kinder u. bettelten um Brotstücke. Sie bekommen täglich von der Militärverwaltung nur soviel, daß sie eben nicht Hungers sterben. Manche Kinder weinten. - In Somme-Py, wo Onkel Joseph ja auch schon gewesen ist, stand nur noch ein Haus. Alle übrigen waren fast dem Erdboden gleich und vollständig ausgebrannt. Die Soldaten wohnten in den Kellern, wo sie schlafen und kochen und Schweine und Hühner schlachten. Die Kirche ist auch zusammen geschossen und dient jetzt als Pferdestall. Kaufen konnte dort noch etwas in einer Kantine. Am Bahnhofe war reges Leben. Frz. Burschen, die gefangen waren luden Packlage[?] aus, die die Pioniere zur Ausbesserung der Straßen gebrauchten. Es kamen gerade frische Verwundete aus dem Schützengraben. Sie trugen Notverbände und waren mit Blut besudelt. Einem war die Nase abgeschossen. Es waren viele […] fuhren dort. Diese haben ihre Pferde hinter der Schlachtfront in Ruhe. Sie selbst liegen bei der Infanterie im Schützengraben. Auf allen Stationen lagen Proviant- u. Munitionszüge, die entladen wurden. Fuhrwerke, die zumeist sechsspännig waren, fahren alles zur Front. - Auf den Äckern stehen noch Hafer und Roggen, Kartoffeln u. Knollen aus dem vorigen Jahre, faul und verdorben. Auf anderen Feldern stand noch die Mähmaschine, so, wie die Leute sie verlassen hatten, als sie fliehen mußten.
Samstag Nachmittag kamen wir in der Stadt Attigny an. Nur wenige Civilpersonen waren dort zu sehen. In allen Häusern lag Militär, daß sich\'s dort wohl sein ließ. Die Stadt hatte vom Kriege nichts gelitten. Das Bürgermeisteramt war in ein Lazarett verwandelt. Alle Läden und Kaufhäuser leer und geschlossen.
Auf Wiedersehn
Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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