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Brief (Transkript)

Gustav Gaß an einen Freund am 19.03.1915 (3.2002.9114)

 

Grajewo. 19.3.15



Lieber Rudolf!
Meine letzte Karte wirst Du wohl erhalten haben mit meiner werthen Persönlichkeit, und gefunden wirst Du mich wohl auch haben. Du wirst Dich wohl nun wundern, daß ich Dir schon wieder einen Brief schreibe. Nun das kommt daher. Ich bin doch nun schon fast 3 Wochen hier in diesem kaputen russischen Nest wo alles weg ist, bis auf einige Juden, und diese wohnen nicht in der Mitte von der Stadt, sondern an den äußeren verkommenen[?] Ecken, da haben sie sich hingezogen, was soll man nun den ganzen Tag machen. Die Kompanie muß Geleise bauen, aber nur mit den Pferden haben eben ein schlaues[?] Leben. Brauchen sehr wenig oder gar nicht zu fahren. Da geht man nun mittags weg und sucht, ob man nicht findet. Denn Du kannst Dir doch denken, daß viele von uns, die schon so lange weg und lange keine Frau oder ein Mädchen in den Armen gehabt haben, wieder gerne einmal diese Freuden genießen möchten. So geht es mir gerade. Nicht daß ich geschlechtlich mit einer verkehren möchte, nein, dazu ist mir meine Gesundheit zu schade, aber so ein raßiges und feuriges Polenmädchen in den Armen zu haben, ist was herrliches. Habe dieses schon mal mitgemacht in Südpolen, wo sich so ein unschuldiges Mädchen, Tochter von einem Metzger, in mich verliebt hatte, Junge, ein herrliches Weib, keine so zu Hause. 19 Jahre. War 2 Monate da, diese Zeit ist auch vorbei. Hier wo ich jetzt bin ist nichts vernünftiges, ein paar dreckige Judenmädchen, mit den schönsten Lumpen am Leib. Da dachte ich nun, mußt mal sehen, ob nicht auch noch bessere da sind. Ich ging nur von einer Ecke in die andere, bis ich auch zu einer Druckerei kam, ich ging hinein, und hatte Glück, die Frau war dageblieben und in den Stuben waren ein paar herrliche Mädchen. Ich setzte mich und verlangte ein Glas Tee, welchen man in jedem Hause haben kann, wo Leute wohnen, je nachdem, mit und ohne Dreck. Hier war es so ganz leidlich sauber. Ich trank ein, 2, 3, 4, 5 Tee, und unterhielt mich mit den Leuten, da sagte mir die Frau ob ich nicht rußische Zigaretten möchte, nun ich sagte ja, denn es gibt nicht viele mehr davon, ist schon selten. Ich dachte gleich an Dich Du könntest sie auch mal versuchen. Bitte sehr nun malzu, ob sie Dir schmecken. Der Tabak ist recht rußig, die Hülsen werden es wohl nicht sein. Stück 3 Pf. Ich sende Dir dieselben zu beforstehenden Wiegenfeste und gleichzeitig die herzlichsten Glückwünsche und alles Gute. Habe Dir auch 2 rußische Siegel beigelegt, hoffe daß dieselben ganz in Deine Hände gelangen. Mußt vorsichtig aufmachen, ganz aufschneiden. Für die Zigaretten kannst Du mir zu meinem Geburtstag einige deutsche schicken, schmecken besser als diese. Junge, das ist wieder ein Jahr wo wir unsere Geburtstage nicht zusammen feiern können. Ein Jahr vergeht nach dem anderen, man wird immer älter, und die Zeiten immer schlechter. Ich glaube bis der Krieg zu Ende geht und ich komme wieder nach Hause, so habe ich meine ganzen Locken im Krieg verloren. Alles für unser liebes und teuers Vaterland. Jeder muß Opfer bringen, nur auf verschiedene Art und Weise. Lieber Rudolf. Hier haben wir mächtig kalte Nächte, die Tage ausgezeichnet. Sonst geht es mir noch gut bin auch noch gesund. Mein […] in dem ich schlafe, ist schneeweiß gefroren und taut auch den Tag über nicht ab. Und da schlafe ich nun jede Nacht. Muß sich an alles gewöhnen. Reumatismus werd ich wohl auch als Begleiterin mit in die Heimat bringen. Unser Lage hat sich wohl jetzt gebessert, oder wie ist es mit Italien, gehts gegen England oder nicht, man erfährt hier so wenig. Letzthin war auch die dicke Berta hier bei uns und hat ihre Liebesgaben den Russen geschickt. 186 Schuß, a 18 Zentner, sind in die Festung gefallen, nachdem dieselbe kaput, in 2 Tagen, hat uns die Dicke wieder verlassen. Nun genug. Viele Grüße an alle Bekannte Deine und meine Eltern Großmutter und Geschwister. Dich grüßt herzlich Dein
Freund Gustav.
Herzlichen Gruß an Deine liebe Braut Olga.
Wie mir Alma mitgeteilt ist Wilhelm auch weg, sende mir doch mal seine Adresse.

 

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