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Brief (Transkript)

Walther Wittenhagen an eine Brieffreundin am 24.12.1914 (3.2002.9063)

 

Hauthem[?], 24. XII. 14.



Mein wertes Frl. Pfaadt!
Schon benutze ich Ihren Briefbogen, woraus Sie zu gleicher Zeit zu ersehen vermögen, daß Ihr 2. Paket nunmehr auch in meine Hände gelangt ist.
Bevor ich Ihnen nun Ihre Frage beantworte, möchte ich Ihnen doch eine kleine Rüge erteilen, d. h. - wenn Sie gestatten! Warum haben Sie mir schon wieder ein Päketchen geschickt?
Wenn ich mich für die Wollsachen bedankt habe u. meine Adresse hinzugefügte, so geschah das nur deshalb, um wie gesagt mich erstmal zu bedanken u. dann, um Ihnen Gelegenheit zu geben mal wieder zu schreiben. Zu schreiben, aber nicht zu schicken! Denn nichts erfreut uns mehr, als wenn wir bei der Verteilung der Post auch unsere Namen aufrufen hören. Also, nichts für Ungut, mein liebes Fräulein, Sie werden sich bessern u. noch recht oft an mich schreiben! Jede Karte oder Brief wird mit größter Freude u. bestem Dank quittiert; vor allen Dingen aber auch erwidert.
In der Nähe von Straßburg bin ich nun allerdings nicht zu Hause, ich bin Pommer u. in Stettin geboren, also auch Großstadtkind wie vielleicht Sie. Straßburg ist nur meine Garnisonstadt gewesen, von wo aus ich auch ins Feld rückte. Von Aachen aus bin ich seinerzeit zu den 19er Pion. gegangen u. ich bin heute stolz, mich Pion. nennen zu dürfen.
Obgleich wir hier draußen ja unglaublich viel arbeiten müssen; denn immer u. immer heißt es: Pioniere, Pioniere u. nochmals wo sind die Pioniere, so bleibt der Dank doch nicht aus. Wir haben Stellungen ausgebaut, wo später die Franzosen drauf losgingen; der Angriff wurde aber unter ungeheuren Verlusten für den Gegner abgeschlagen u. Tausende von Toten bedeckten nachher das Gefechtsfeld.
Jetzt bin ich aber von meiner Biografie auf ein ganz anderes Thema gekommen! Dürfte ich Sie nun, meine w. Fräulein, auch vielleicht darum bitten, mir mal etwas von Ihnen zu erzählen?
Gestatten Sie, daß ich dem vorausschicke wie ich mir Sie vorstelle. Also …. Sie dürfen sich aber nicht über mich lustig machen, wenn ich vielleicht daneben haue! Im Gegenteil, sollte ich eine falsche Vorstellung besitzen, so klären Sie mich bitte auf.
Ich schätze Sie auf ungefähr 15 Jahre, einem Backfisch, dem es momentan nur darum zu tun ist, möglichst viele Kriegsabenteuer zu hören à la Feldpostbriefe in den Zeitungen. Ich gestatte mir daher Sie zu der Neujahrsfeier im Schützengraben bei Ypern einzuladen. Unser Programm ist glänzend. Mitwirkung d. engl. u. französ. Geschütze! Granat u. Schrapnellfeuerwerk! Eintritt frei! - Sie erwartend grüßt Sie
bestens Ihr W. Wittenhagen

 

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