Im Felde den 28/4.15

Sehr geehrte Frl. Pfaadt!

Ihren werten Brief vom 23.4. [...] habe heute in vorderer Schützenlinie bestens dankend erhalten. Wie aus Ihren l. Zeilen entnehmen kann, gelangten Sie im Besitze meiner Photographie. Sie fragen an, was ich schon während meiner [G....lichen] Tätigkeit im Felde mitgemacht habe und kann ich Ihnen mitteilen, daß ich kolosale Strapazen mit Gottes Hilfe überstanden habe. Besonders anstrengend waren die Kämpfe an der Maas vom 3. April, denn die Franzosen versuchten mit 3 facher Übermacht bei uns durch zu brechen, wurden aber mit Verlusten zurückgeschlagen.
Sämtliche verfügbare Artellerie wurde allamiert, es war furchtbares Granat und Schrapnellfeuer. Leider hatten wir in der Comp. ziemlich Verluste. Es gelang den Franzosen ein kleines Stück unseres Schützengrabens zu besetzen. Aber ihr neuer Aufenthaltsort war für den Gegner nicht angenehm, denn sie wurden mit Gewehr und Handgranaten so bearbeitet, daß sie eilig die Flucht ergriffen. Die Anstrengungen können Sie sich denken; Appetith war mir während den Tagen vergangen. Nur mit Hilfe Gottes hier im Ortsquartier wieder gut angekommen, wo wir nach diesen harten Strapazen einige Tage Ruhe hatten. Leider hört man über den Frieden im Felde auch sehr wenig. Im übrigen hat man sich im Felde sehr gut eingewöhnt.
Ferner fragen Sie an, ob ich Ludwigshafner oder aus der Gegend bin. Mein Geburtsort ist in Michelsstadt i/Hessen / 18.8.90) meine Eltern betreiben auch wie mein Onkel in Ludwigshafen ein Manufaktur und Modewarengeschäft, ferner haben wir auch noch „Putz“ wofür ich mich früher sehr interessierte. Moderne Hüte Saison entsprechend, habe gerne gesehen. Ich selbst war längre Jahre in Frankfurt a/M in Stellung. Auch habe ich ein Onkel in Mannheim & Heidelberg die beide eine sehr großes Modewarengeschäft betreiben. - Michelstadt i/Hessen ist eine kleine [...] von von 3800 Einwohnern aber für den Sommeraufenthalt sehr geeignet. Es liegt in einem Kessel rings von Bergen umgeben. Sollten Sie einmal die Gelegenheit haben, durch den schönen „Odenwald“ zu fahren, so lade ich Sie jetzt schon herzlich ein bei meinen Eltern den schönen Sommeraufenthalt zu verbringen. Sonst wüßte Ihnen keine Neuigkeiten zu berichten. Für heute will ich schließen in der Hoffnung von Ihnen bald wieder einen Brief zu erhalten.
Seien Sie für heute recht herzlich
gegrüßt von
Moritz Rothschild
11. Comp.