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Brief (Transkript)

Ernst Rasch an seine Eltern am 15.09.1918 (3.2002.9052)

 

K. H. Qu. 15.9.18



Liebe Eltern!
Für einen Haufen von Briefen, die alle gute Kunde brachten, habe ich mich heute zu bedanken.
Ich konnte in den letzten Tagen nicht schreiben, da ich mit den Vorbereitungen zu einem Vortrage, der gestern nach dem Abendbrot vor Exc.[?] und den anderen Herren vom Stapel lief, sehr in Anspruch genommen war. Ich mußte die Neuerungen der neuen Ausgabe der Vorschrift: Allgemeines über den Stellungsbau erzählen. Die Sache ist gut verlaufen und und im Conto unter „haben“ zu buchen.
Doch nun erst mal meine herzlichsten Glückwünsche zum Stern. Der Glanz, der von V\'s Feldrock ausstrahlt, ist jetzt beinahe so kräftig, daß man sich eine blaue Brille aufsetzen muß
Die eingesanden Berichte über die Feier haben mich natürlich höchst interessiert und erfreut. So ganz sang, und klanglos durfte der Tag auch nicht dahingehen. Für die netten Bilder herzl. Dank.
Daß es Dir, l. M., besser geht, ist ja prächtig. Nur weiter so!
Wir sind jetzt Gottlob in einem Quartier, das man als Musterquartier bezeichnen kann. Habe wiederum ein kleines Haus für mich, in dem Hilfsoffiz, Burschen, Buros u. Zeichner untergebracht sind. Leider ist Lt. Richter nach München ins Laz. geschafft worden. Die Ärzte wußten noch nicht, was er hat, wahrscheinlich Vereiterung der Nieren infolge einer seiner vielen Schußverletzungen, er hatte in den Vogesen einen Kopfschuß, in Rußland Bauchschuß, Arm- Ober, u. Unterschenkelschuß bekommen. Also ordentlich zugerichtet.
Heute oder morgen bekomme ich einen neuen Herren, weiß noch nicht wen. Kasino ist im Château, wo auch Abtlg Ia haust. Das Schlösschen ist der Jagdsitz eines Pariser Advokaten, Möbel waren natürlich auch nur noch wenig vorhanden, wir haben ja aber alles bei uns, vom Buffet angefangen bis zum Eierbecher. Aus dem Barackenlager unseligen Angedenkens habe ich mir ein großes tadelloses Bett mit Sprungfedermatratze mitgebracht. Die Verpflegung wird jetzt auch besser, die Verhältnisse sind überhaupt geordneter geworden. Wir haben einen dicken Flußabschnitt vor uns, da kann so leicht nichts passieren. Heute ist mein neuer Pferdebursche, den ich mir in Coblenz bei Ers. Abtlg 23 verschrieben hatte, mit guten Nachrichten von Riechen eingetroffen. Den Alaner[?] hatte man mir in Freiburg weggenommen da er kv war. Morjan steht auf der Kippe.
W. hat wirklich Dusel, so langen Urlaub. Der nette Freiburger Stammtisch fehlt mir sehr.
Mut. kann ich zur Beruhigung sagen, daß unser Quartier 25 km von der Front entfernt liegt u. wenn mal mal heraus muß, sucht man sich die frühen Morgenstunden aus.
Stänzner ist ganz glänzend, man arbeitet viel mehr mit Luft und Liebe als nach dem Motto: „Zuckerbrot u. Peitsche“, wie Willi sich auszudrücken beliebte. Der Teuerungszuschuß ist sehr erfreulich, dann ist mal wieder alles geblecht.
Daß Lord Cecil zur Einsicht kommen wird, möchte ich sehr bezweifeln. Momentan hat er ja auch keinen besonderen Grund. Hier verspricht man sich mal wieder viel von unseren U. Kreuzern. Mir liegt es viel mehr am Herzen, wenigstens zur Zeit, daß das Herrenhaus einsichtig ist u. nachgibt. Was sonst werden soll, ist mir schleierhaft. Es gibt Mord u. Totschlag.
Packet noch nicht da, kann auch noch nicht hier sein. Auf jeden Fall erwarte ich es mit Spannung. Fliegerangriffe sind hier noch nicht gewesen. Das sollte nur der Puffer[?] einer fdl. Fliegerbombe auf ein Mun. Depot bei unserem früheren Bar. Lager.
An Urlaub ist noch nicht zu denken. Einliegender Briefumschlag zeigt, was einer schöner Namensstempel für Vorteile hat.
Seife gibts hier auch nicht, ich lasse bei einer Madame waschen, die Seife in geringen Mengen aus Amerika bekommt.
Genug für heute, seid herzlichst gegrüßt u. für die ausführlichen Nachrichten nochmals bedankt.
Stets Euer tr.
Ernst

 

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