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Brief (Transkript)

Freund an Friedrich Pietzsch am 27.11.1916 (3.2002.9029)

 

Neukölln, 27. Nov. 1916.



Lieber Fritz!

Endlich komm ich dazu Dir für die freundlichen Wünsche zu meinem Geburtstage meinen Dank auszusprechen. Deine Ausführungen über die Tätigkeit, Lage und die dortigen Verhältnisse waren für uns äußerst interessant und belehrend umsomehr, als man doch äußerst selten derartige eingehende Schilderungen erhält. Wir hoffen, daß Du noch in jener Gegend verblieben bist, und Deine Verteidigungsstellung genügend ausbauen und es Dir ein wenig behaglicher machen konntest, denn nach den Zeitungsberichten soll ja in jener Gegend die Kampflust der Russen erheblich nachgelassen haben, so daß dort eine gewisse Ruhe eingetreten sein müßte. Bei
Bei den Russen scheint es allgemein nicht besonders auszusehen und an allem, nämlich an Geld, Lebensmitteln, Munition usw. zu fehlen und die Kriegsmüdigkeit zuerst eingetreten zu sein, hoffentlich erholen sie sich im Laufe des Winters nicht zu sehr, da sich unsre lieben Feldgrauen sonst wieder im nächsten Jahre abmühen müssen. Wir vertrauen hier voll und ganz auf Hindenburg und Ludendorf und erwarten von diesen baldigst diejenigen letzten und wuchtigen Schläge die uns dem langersehnten Frieden näher bringen.
Wir leben hier recht und schlecht weiter, richten uns mit dem uns Zugeteilten ein und hoffen immer auf baldige bessere Zeiten, viel ist
ist es ja nicht, was wir noch haben, aber zum Leben hat es bis jetzt ja immer noch gereicht! Gesund sind wir alle noch, ebenso die beiderseitigen Eltern, nur fehlt uns die Freude am Leben! - Im Neuköllner Rathause wird die Zahl der Beamten immer geringer, so daß wir zum größten Teil mit männlichem und weiblichem Hilfsmaterial arbeiten müssen und wirst Du Dir ja einen Begriff machen können, wie das so alles geht, aber man wird selbst bei allem gleichgültig und tröstet sich damit, daß Krieg ist.
Wir waren im Juni wieder in Marienbad zur Kur, die uns beiden und besonders meinem Herzen sehr wohl getan hat. Schwiegervater Martens war von Mitte August bis Ende September auf Anraten
Anraten seines Arztes in Bad Kissingen und fühlt sich seit dieser Zeit auch wohl, besser wäre noch alles, wenn man sich die Lebensbedürfnisse nach Wunsch erfüllen könnte; wir gedenken oft aller derer, die draußen liegen und kämpfen müssen und es noch viel schlechter haben, als wir. Nun kommt schon der 3. Weihnachtsfest während des Krieges und das wird diesmal wohl das trostloseste und hoffentlich das letzte sein! - Dir wünschen wir jedoch weiter frischen Mut und bestes Wohlergehen. Hoffentlich darfst Du bald einmal zu Deinen Lieben auf Urlaub kommen.
Mit dem Wunsche auf gesundes Wiedersehen sei bestens gegrüßt von Paul & Frieda Weschke,
sowie von unseren beiderseitigen Eltern!
- Fröhliches Weihnachtsfest! -

 

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