Brief (Transkript)

Heinrich Begemann an seine Eltern am 9.12.1870 (3.2013.3340.12)

 

Liebe Eltern !

Gern möchte ich Euch noch einen etwas längeren
Brief schreiben. Aber da wir den ganzen Nachmit=
tag herum gestanden haben, so haben ich noch mancher=
lei zu besorgen. Ein Stündchen möchte ich auch noch
gern mit meinen Freunden und mit unseren
alten Herren (alte Herren der Burschenschaft) hier zusammen sein. Soeben habe ich
die Sachen nach Göttingen abgefertigt, die ich hier
hatte. Ich habe somit nur sehr wenige Zeit noch
übrig und will nur in aller Kürze noch auf Eure
beiden letzten Briefe antworten.
Die 5 rt (Reichstaler) habe ich empfangen, wofür ich meinen
herzlichsten Dank sage. Ich habe da noch Verschie[=]
denes anschaffen können unter anderem auch
meine Halsbinden mit Flanell füttern las=
sen, damit ich nicht wieder ein Halsleiden
bekomme. Auch kaufe ich mir vielleicht noch
einen billigen Shawl (= Schal). Die andern Leute
außer den Einjährigen (Einjährig-Freiwilligen) sind heute unermeß=
lich beschenkt mit Strümpfen, Shawls, Unter[=]
jacken und Unterhosen, alles auf das Beste.
Was nun den Freitisch (Studentenverpflegung) betrifft, lieber Vater, so
muß ich Dir zunächst meinen herzlichsten Dank
sagen für Deine vielen Bemühungen. O, Ihr denket
gewiß noch so oft nicht an mich, als ich
mit dankbarem Herzen an Euch. Wenn ich auch
Alles gern ertragen will, nur der Gedanke

ist mir schrecklich, daß mir die Möglichkeit abgeschnit=
ten werden sollte, Euch das unendlich viel Gute,
was Ihr mir erwiesen habt, nicht im Geringsten
wieder vergelten zu können. Doch wenn es sein
muß, so seid überzeugt, daß mein letzter Athem=
zug Euch Dank stammelt. Aber der liebe Gott
bewahre mich um Euretwillen vor dem Äußersten,
er weiß ja, wie gern ich, wenn ich Euch nicht hätte
den Opfertod fürs Vaterland sterben würde. Er füh=
re mich gesund in Eure Arme zurück. Meine
u.[nd] meiner Leute Freude über unseren endlichen
Abmarsch ist sehr getrübt durch die traurige Nach=
richt, daß einer unserer Freunde im Felde, der
Ende August nachgeschickt wurde, wieder
den Opfertod hat sterben müssen, während ein
anderer verwundet daniederliegt. Unser Regi=
ment ist an 3 Tagen vor gewesen.
Doch zur Sache zurück. Ich habe leider mich nicht an
das Curatorium (Stiftungsrat) wenden können, da mir Zeit, Papier,
Dinte, Feder alles mögliche fehlte. Ich bin auch
fest überzeugt, daß ich nichts ausrichten würde.
Die Herren in Göttingen sind noch viel ängstlicher
als die in Aurich in Ausführung der Vermächt=
nisse. Ich habe aber doch meinen Freunden hin
geschrieben, sie möchten den Versuch machen.
Ich muß schließen, mich drängt die Zeit. Viele
Grüße. Bald werdet Ihr wieder Nachricht von
mir erhalten. Morgen um 10 Uhr 45 gehts los.
Euer

Heinrich.

[Bei Benecke u. Clemens habe ich mir gestern Abend noch eine Holzpfeife gekauft]

 

 



Ansicht des Briefes

 

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