Brief (Transkript)

Heinrich Begemann an seine Eltern am 7.12.1870 (3.2013.3340.11)

 

Liebe Eltern !

Die hübsche Sendung von Dir, gute Mutter, habe ich heu=
te Abend erhalten u.[nd] mich recht herzlich darüber ge=
freut. Die Butter wird nun wohl die letzte Heimische sein, welche
ich fürs Erste; einen Theil ders.[elben] werde ich mit auf
die Reise nehmen. Meine lieben Freunde, die gera=
der in ziemlicher Anzahl bei mir waren, haben mit
mir davon gegessen u. der eine hat sie noch mehr
gelobt als der andere. Ich freute mich, daß ich ih=
nen auch einmal was geben konnte, da sie mir
so vieles schenken und mich besonders hier in
Hannover u. in den letzten Tagen so oft aus
der Noth geholfen haben. Die Brenns=schen Zwie=
backe haben mir auch sehr gut geschmeckt, wa=
ren aber größtentheils caput gegangen. Mei=
nen besten Dank für Alles. Daß Du nun so oft
an mich denkst, liebe Mutter, ist mir nun frei=
lich sehr angenehm; aber daß Du mich denn immer
bedauerst und Dich darüber betrübst weniger.
Ich schrieb schon, daß Ihr nicht glauben möchtet,
dieses Leben machte mir Kummer, nein im Ge=
gentheil es macht mir Scherz, sich mal so durch=
schlagen zu müssen.
Ich habe nun freilich auf meinen letzten Brief,
der Euch meine Abreise nach Frankreich mel[=]
det, noch keine Antwort, da Ihr den wohl erst

gestern Morgen erhalten haben werdet. Aber
ich wollte abgesehen davon, mich für das Erhaltene
zu bedanken, Dir, lieber Vater, der Du mir
einmal wieder einige Worte hast zukommen
lassen, was mir immer zur besonderen Freu=
de gereicht, die Fragen, die Du an mich stellst
beantworten, obwohl sie ja eigentlich auf
mein Hierbleiben berechnet sind. Außerdem
kann ich auch noch den beiden zuletzt erhalte=
nen Brief jawohl erwarten, was Du, l[iebe] Mut=
ter, schreiben wirst.
Was das Nachsenden von Ersatzmannschaf=
ten betrifft, so gehen diesen immer von den
Ersatzbattaillonen zu den betreffenden
Regimenter ab. [F Gewöhnlich allerdings ist beider
zusammen,] Dabei ist zu unterscheiden
zwischen einem Nachschub von Reconvalescen=
ten (Genesene), also solchen, die schon einmal im Felde gewe=
sen, krank oder verwundet geworden und nun
wieder hergestellt sind u. einem Nachschub
von frischen Truppen (Ersatzreservisten, Frei=
willigen oder Reservisten). Diese letzteren
sind eigentliche Ersatzmannschaften. Soll nun
zu einem Armeecorps (Heeresgroßverband) ein Nachschub abgehen,
so werden von allen Ersatzbattaillonen derselben
Leute nach einer Stadt also z.B. nach Hannover
zusammen geschickt. Dieser ganze Transport
fährt dann per Extrazug so weit als möglich ist, und
marschiert dann zum Corps. Bei demselben

angekommen, trennen sich die Leute nach den be=
stimmten Regimentern.
Ein Nachschub von Reconvalescenten zu unserm
10. Armeecorps ist nun in der vorigen Nacht ab=
gegangen. Die Theologen u. Mediciner sollten
schon mit ihm, sind aber nicht mitgekommen
und gehen nun [mit] uns, dem Nachschub von wirkli=
chen Ersatzmannschaften. Dieser Nachschub ist nun
diesmal sehr stark. Zu unserem Regimente
gehen 450. Mann unseres Bataillons mit, die ganz als Bataillon
formiert sind. Dies ist deshalb viel angenehmer,
weil dann alles viel geordneter zugeht.
Wir werden nun nicht , wie ich schrieb, am Frei=
tag abgehen, sondern Sonnabendmorgen
10 Uhr 45 Min[uten] ab und zwar über Hamm, Dortmund
Köln u.s.w.
Was das 2. betrifft, so ist in Friedenszeiten
die Versetzung von einem Regiment zum
andern möglich, in Kriegszeiten aber
nicht. Über den Urlaub endlich brauch ich
wohl nicht schreiben, da es damit nun ja aus ist.
Ich hoffe nun, liebe Eltern, daß Ihr Euch nicht
zu viel Sorgen über mich macht. Ihr wißt ja, daß
jetzt mein sehnlichster Wunsch erfüllt ist und
daß mich in der Unzufriedenheit über mein langes
Zurückbleiben mir der Gedanke an Euch tröstete,
die Strapatzen werde ich gewiß ganz gut aushal=
ten, da ich ja ein gesunder, starker Kerl bin

und mit Allem gut versehen bin. Außer zwei
wollenen Hemden, die man als Unterjacken be=
nutzen kann, bekommen wird noch eine herr=
liche Kaputze geliefert, aus der nur Nase, Augen
u. Mund heraus kucken. Gegen kalte Füße habe
ich mir 2 Paar dicke Haarsocken gekauft, die sehr
warm sind. Stiefeln zu kaufen wird wohl
nicht mehr nöthig sein.
Ich bin heute wieder durch einen Brief von
Volckmar (Dr. phil. Karl Heinrich Volckmar (1814-1872) Direktor/Lehrer des königl. Gymnasiums Aurich und Autor) erfreut worden; er bietet mir so
gar an, mir Geld vorzuschießen. Ich schicke Euch
den Brief zum Lesen u. Aufbewahren. Erzählt
aber von dem, was er schreibt namentl[ich] über
Reuter nichts nach, und zeigt ihn nieman=
dem. Überhaupt möchte ich um etwas mehr
Discretion für meine Briefe bitten.
Nun lebet wohl. Es ist 10 vorüber und meine 3
Kameraden liegen schon im Bett. Wenn wir
morgen des katholischen Feiertags wegen frei
haben, so muß man doch die letzten Tage das
gute Bett noch benutzen, da man ja nicht
weiß, wann man so wiederbekommt.
Lebet wohl und empfanget Alle miteinan=
der die herzl[ichsten] Grüße von
Eurem

Heinrich

 

 



Ansicht des Briefes

 

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