Brief (Transkript)

Heinrich Begemann an seine Eltern am 23.10.1870 (3.2013.3340.5)

 

23. Oct.[ober] [18]70.

Liebe Eltern !

Diesen Mittag habe ich das Packet mit Allem,
was ich wünschte, erhalten. Ich habe mich sehr
gefreut und sage Euch meinen herzlichsten Dank.
Von den Pulswärmern habe ich gleich ein Paar
angezogen. Das Geld werde ich nun morgen der
Fr. Dr. Hake hinbringen. Der Käse ist mir auch
sehr angenehm. Von den anderen Sendungen,
die ich erhalten, habe ich nun noch meinen Dank
für die Cigarren, durch Kriegsmann erhalten,
nachträglich zu sagen, da ich das aus dem Briefe
vergessen zu haben scheine. Was die Butter
von neulich betrifft, an der ich natürlich noch
immer zehre, so habe ich an die Blase
gar nicht gedacht. Die war zweckmäßiger als
die Büchse, weil sich darin an den Seiten im=
mer Rost ansetzt. So bin nun ja mit Allem
versehn und zufrieden. Meine neue
Wohnung gefällt mir sehr. Ich habe wieder
nur eine Hauswirtin, eine alte Frau,
die, wie in der Regel alte Frauen, für Al=
les sorgt und an Alles denkt. Es ist Alles
sehr propre und ordentlich immer, wenn ich zu
Hause komme, ich habe eine geräumige, luftige

Schlafkammer und meinen Putztisch mit den
Siebensachen auf dem Portal vor der Tür, alles
ganz anders als in meiner alten Wohnung.
Ich kann jetzt mal wieder gemüthlich zu Hause
sitzen. Hoffentlich werde ich nun, solange ich [in]
Göttingen bin, nicht wieder umzuziehen brauchen.
Aber wer weiß, ob ich nicht bald meine Bude, auf
der ich nun so zufrieden, fürs Erste wieder
verlassen muß? Die 3 Monate Dienstzeit (Ausbildungszeit)
sind mit dem heutigen Tage um und so kann
es ja jeden Tag los gehen. Ob und wann es geschieht,
wissen wir natürlich nicht. Ich denke, daß in näch=
ster Zeit vielleicht das ganze Bataillon ausrückt,
entweder zum Schutz der Küste, wie man
zuweilen hier sagt, oder zur Besetzung Frank=
reichs. Viel zu thun giebt es zwar (?) für uns nicht
mehr. Vor Metz und Paris sind dazu Truppen
genug. Es mag kommen, wie‘s will; was
kommt, wird am besten sein.
Daß der kleine Kühlke u. Knoop nach Frankreich
sich aufgemacht haben, habe ich auch in der Ostfr.[iesischen]
Zeitung gelesen. Nach dem erhaltenen Briefe
scheint die Sache aber nicht so schmerzhaft, als
sie dort dargestellt war.
Morgen rücken wir auch aus d.h. blos zum
Übungsmarsch, der wohl ganz ordentlich

sein wird. Ich muß dazu noch alle meine Sachen
putzen und Packen und mich daher beeilen, da ich
schon müde bin. Man gewöhnt sich das Früh zu Bette ge=
hen und früh aufstehen bald an. Um 6 Uhr muß
ich spätestens morgen heraus. Ich will daher
auch nur Schicht machen und nächstens mal mehr
schreiben.
Indem ich nochmals für alles Erhaltene mei=
nen herzlichsten Dank Euch ausspreche, schließe
ich mit vielen Grüßen an Euch und alle Bekann=
te. Grüßt Herrn Pastor Kirchhoff nebst Frau be=
stens von mir, außerdem Tante Caroline und
Engel.

In dankbarer Liebe

Euer
Heinrich.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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