Brief (Transkript)

Heinrich Begemann an seine Eltern am 9.10.1870 (3.2013.3340.4)

 

Sonntag. 9. 10. [18]70. 9 ½ Uhr Abends.

Liebe Eltern !

Die letzte Stunde des Tages will ich noch benu=
tzen, um Euch Einiges zu schreiben, da wir mor=
gen nicht gerade so sehr früh anzutreten brau=
chen. Gestern erhielt ich die herrliche Sendung,
gerade als meine Butter alle war. Gestern A=
bend hatte ich daher ein Abendessen, was nicht
von Pappe war: Ostfriesische Butter, ausgezeich=
nete Wurst, feine Käse, gutes Schwarz (Commis)
brod und ein prächtiger Thee. Ich wollte Euch
eigentlich gleich gestern Abend schreiben; hatte
mich jedoch so dick gegessen, daß ich zu faul
zum Schreiben war. Auffallend war mir nur
daß kein Brief dabei war, was hoffentlich kei=
nen besonderen Grund gehabt hat. Im Ü=
brigen habe ich mich gestern sehr gefreut
und sage hiermit für das Erhaltene meinen
herzlichsten Dank. Heute Abend habe ich
wieder bei Professor Geß zu Abend geges=
sen. Morgen werde ich mich von Neuem an
der Sendung laben.
Ich erwartete schon seit einigen Tagen
einen Brief von Euch, der die mir durch Kriegs=
mann (ein Student) gewordene Nachricht bestätigte,

daß ich leider keins von den Stipendien er=
halten habe, sondern er u.[nd] I[ch] (?) nur (?) wieder durch
ihre Connexionen damit durch gegangen sind.
Ich war anfangs sehr niedergeschlagen. Doch
den Kopf hängen lassen hilft ja nicht.

Montag. 11.10.[18]70.

Als ich gestern Abend beim Schreiben mal
recht wieder über meine Zukunft nachdachte, wurde mir
doch recht öde zu Muthe, so daß ich keine Lust hatte
meinen Brief fortzusetzen. Ich hoffe nur, daß Du
mich, lieber Vater, zu der versprochenen Zeit
fürs Erste wieder aus der Klemme helfen
kannst. Mag der heutige Markt recht gut
sein. Ich werde hier wohl heute oder morgen
ausziehen. Ich kanns in dem Kuddelmuddel
nicht mehr aushalten. Kein Buch, gar nichts
habe ich zur Hand, da eben alles eingepackt
ist. Ich werde vielleicht etwas als Pfand
zurücklassen müssen.
Doch einen Freitisch (unentgeltlicher Tisch, Studentenverpflegung )
habe ich wenigstens erhal=
ten und wenn ich auch hier vom Curatorium
einen bekomme, so werde ich sehn, ob der
nicht in ein Stipendium verwandelt wer=
den kann. Kannst Du mir vielleicht von Irne=
richs, l.[ieber] Vater, mein Fleißzeugniß,
was ich eingeschickt habe oder doch eine beglau=

bigte Abschrift davon verschaffen, das ich dort
vielleicht gebrauchen muß? Was Ihr neulich
schriebt, für 5 rt (Reichstaler) zu Hause essen, ist jetzt gar
nicht möglich. Es ist hier alles theurer geworden.
Busemanns Tod ist für die Eltern auch sehr
schmerzlich. Er hat hier noch sehr viele Schulden,
die sein armer Vater jetzt bezahlen kann.
Wie man hört, soll er sein Leben jedoch auf
3000 - 4000 rt versichert haben.
Du könntest mir nächstens wohl, l. Mutter,
das Unterzeug, was Du vergangenen Sommer
zurückbehalten hast, schicken, vielleicht auch
ein paar wollene Pulswärmer, die mir
nächstens beim Exerciren u. Schildwache stehen
gute Dienste leisten könnten.
Ich kann noch immer Alles sehr gut ertragen
und bin stets gesund, zumal da ich jetzt so ganz
präcise lebe. Um 9 Uhr muß man jetzt zu
Hause sein, des Abends.
Ich hoffe, daß auch Ihr Euch alle der besten
Gesundheit erfreut. Nochmals für das Erhal=
tene meinen besten Dank sagend, schließe
ich mit den herzlichsten Grüßen an Alle.

Jetzt muß ich schon wieder
Trapp laufen zum Appell!

Euer
Heinrich.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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