Brief (Transkript)

Paul Friedrich Wilhelm Koegel an seine Familie am 22.2.1871 (3.2013.2712.9)

 

Fort=Mont.=Valien, den 22 Februar 1871.

Meine Lieben !

Heute noch einmal einige Zeilen von hier, wahrscheinlich
aber die letzten von hier aus, denn wie es heißt,
gehen dwir binnen Kurzem von hier fort, und zwar
erst nach Paris und dann nach Hause. Unsere
Tage sind also hier gezählt und glaube ich, daß wir
nur noch wenige Wochen hier bleiben werden.
Eure letzte Zuschrift war vom 5 d[e]s M[ona]ts, ich wundere
mich, daß ich seit dem keinen Brief von Euch er=
halten habe, sollte bei Euch vielleicht etwas vorge=
fallen sein, aber das hättet Ihr mir doch auf jedem
Falle mitgetheilt. Es ist dies bereits der dritte Brief,
welchen ich Euch von hier sende, und bis jetzt habe
ich auf keinen eine Antwort erhalten. Zeitungen
bekomme ich jetzt regelmäßig von Adolph geschickt,
Ihr braucht Euch also deshalb nicht mehr zu bemühen,
auch hat Adolph an mich ein Paket mit Wurst
und Butter abgehen lassen, welches ich wahrscheinlich
in diesen Tagen erhalten werde. Von Ernst R.
habe ich vor einigen Tagen auch 1 Packet mit Cig.[arren/aretten]
und Chocolade erhalten und schließlich ist für mich
ein Paquet mit Cig. u Taback vom Geschäft unter=
wegs, alle diese Sachen kann ich sehr gut gebrauchen
und thun mir sehr gute Dienste. Im Fall noch
Paquete angenom¯en werden sollten, schickt mir

keines mehr, ich befürchte, ich werde es hier nicht
mehr erhalten. Das Leben hier oben ist uns Allen
zu einförmig, das macht aber, wir warten alle
auf den Frieden, wie das Kind auf den Weihnachtsman¯,
wir haben ja hier so Manches zu sehen, die schöne
Fernsicht, welche in diesen Tagen besonders schön war,
da das Wetter hier ganz prachtvoll ist. Dann ist
hier oben beständig besuch, alles will sich dies Fort
besehen, heute war der Kronprinz v. Sachsen, der
Großherzog v. Meklenburg und der Prinz v. Schwarz=
burg hier oben. Allerhand kleine Ausflüchte von von
hier habe ich auch schon gemacht, als St. Cloud, der Seine
Brücke b/[ei] Courbevoie, wo die Pariser heraus kommen
St. Cloud macht einen traurigen Anblick, das ganze
hübsche Städtchen ist in einen Trümmerhaufen
verwandelt und dies haben die Franzosen in
ihrer Dummheit selber verübt, es sieht dort noch
schlimmer aus wie in Strassburg. Unser Dienst
hier oben ist jetzt nicht mehr so arg, wie in der
ersten Zeit, die Arbeiten sind so ziemlich beendet,
jetzt liegt uns nur noch ob das Fort in Ordnung zu
halten und die Wachen zu besetzen. Morgen wird
meine Compagnie auf Wache kommen, ich werde
aber wahrscheinlich zurückbleiben, da ich das vorige
Mal auf war. einige Bogen Papier wären mir

noch erwünscht, vielleicht 4 Bogen u[nd] einige Couverts, ich hoffe davon
genug zu haben. Ich bitte Loeschke´s vielmal von
mir zu grüßen. Habt Ihr alle recht wohl und seid
herzlich gegrüßt von Euern

Paul


(Randbeschriftung links oben)

Schreibt rechtebald.

 

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